0250 - Pandoras Botschaft
einem Vogel in der Luft und vergaß trotzdem nicht, auf die Straße zu achten. Nach der vierten Kurve schaltete er zurück, denn jetzt wand sich die Straße links um eine Felsspitze. Rechts ging es in die Tiefe. Eine Leitplanke existierte nicht. Nur ein paar graue Begrenzungssteine, die den Rand der Fahrbahn markierten.
Da mußte man einfach langsamer fahren!
Das tat auch der junge Mönch. Und es war sein Glück, denn er entdeckte das Hindernis auf der Straße rechtzeitig genug.
Es war kein großer Stein, wie es normal gewesen wäre.
Nichts hatte sich aus den oberen Regionen gelöst. Auf der Straße lag ein Mensch.
Eine Frau!
Clemens bremste.
Die Maschine wollte am Heck ausbrechen. Der junge Mönch mußte seine ganze Geschicklichkeit und sein fahrerisches Können aufbieten, um rechtzeitig anzuhalten. Er schaffte es.
Etwa einen halben Schritt vor der auf der Straße liegenden Frau kam die Maschine zur Ruhe.
Clemens hatte seinen ersten Schreck überwunden. Was er anschließend unternahm, das tat er automatisch, glitt von seiner Honda und bockte sie auf. Neben der Frau ging er in die Knie.
Blut sah er nicht. Er konnte sich nicht erklären, wie sie auf die Straße gekommen war. Vielleicht hatte sie einen Trip ins Gebirge gewagt und war abgestürzt. So mußte es seiner Ansicht nach sein. Er betrachtete sie eine Weile. Sie lag auf dem Bauch, dabei allerdings auch ein wenig auf der Seite, und das lange schwarze Haar bedeckte wie ein Vlies den Hinterkopf. Die Frau trug einen Mantel aus dunklem Leder. Das Kleidungsstück war innen gefüttert. Für die nötige Wärme sorgte ein Naturpelz.
Da der junge Mönch keinerlei Verletzungen feststellen konnte, faßte er die Liegende vorsichtig an den Schultern, um sie auf den Rücken zu drehen. Er wollte nichts verkehrt machen. Unter Umständen hatte sie innere Blutungen, und da konnte es lebensgefährlich sein, wenn er sie jetzt falsch bewegte.
Sehr behutsam ging er zu Werke. Während sich die Frau in Bewegung befand, löste sich auch das Haar, so daß Clemens in ihr Gesicht schauen konnte.
Es sah seltsam bleich aus, fast schon weiß, aber das konnte auch an dem trüben Wetter liegen.
Auf dem Rücken ließ der junge Mönch die Frau liegen. Der Mantel stand offen. Clemens sah, daß sie darunter Lederkleidung trug, die ziemlich eng saß und ihre Figur hervorhob. Clemens schluckte. Sein Blick brannte sich auf ihrem Gesicht fest, und er schlug mit beiden Händen gegen ihre Wangen. Vielleicht wurde sie wach, so daß er sie ein wenig von der Straßenmitte wegziehen konnte, denn hin und wieder rollte auch ein Fahrzeug durch die Berge, und jeder Fahrer paßte nicht so gut auf wie er.
Er hatte die Wangen der Frau kaum zweimal berührt, als die Lippen anfingen zu zucken. Das erste Lebenszeichen.
»Bitte, Miß, kommen Sie zu sich.« Clemens war aufgeregt.
Als hätte die Frau seine Worte gehört, öffnete sie die Augen. Der junge Pater konnte in die Pupillen schauen, die ihm wie runde, dunkle Kohlenstücke vorkamen. Seltsame Augen. So schwarz, so kalt. Irgendwie gefühllos und trotzdem nicht ohne Leben. Wenn sie sich nicht bewegt hätte, dann hätte der junge Mönch glauben können, eine Tote vor sich liegen zu haben. Aber so war er völlig verwirrt.
»Miß…«, sprach er wieder. Etwas anderes fiel ihm einfach nicht ein. Er fühlte sich so hilflos. Diese Situation bekam er nicht in den Griff. Seine Lippen zuckten. Er holte tief Luft und wollte etwas fragen, als die Frau ihren Mund öffnete. Die Worte blieben ihm im Hals stecken, denn was er da zu sehen bekam, traf ihn schockartig. Die Frau zeigte zwei Zähne.
Spitze Zähne, wie man sie nur bei Blutsaugern fand…
***
Ihre Falle war zugeschnappt!
Und Pamela Barbara Scott, auch unter dem Namen Lady X bekannt, lächelte teuflisch, als sie das entsetzte Gesicht des Mannes sah, der sich über sie gebeugt hatte. So hatte sie es haben wollen. So und nicht anders. Ihr Plan war aufgegangen, denn sie brauchte das, was der Mensch hatte, so dringend wie ein Ertrinkender den Sauerstoff. Sekundenlang geschah überhaupt nichts. Das Entsetzen nagelte den jungen Mönch förmlich fest. Er hielt auch noch die Schultern der Frau, starrte in das Gesicht mit dem leicht geöffneten Mund, sah die langen Zähne aus dem Oberkiefer ragen und schüttelte den Kopf, wobei er immer bleicher wurde und seine Gesichtshaut allmählich so blaß wurde wie die der vor ihm liegenden Frau.
Nur zögernd löste er seine Hände von den Schultern. Die Finger
Weitere Kostenlose Bücher