0250 - Pandoras Botschaft
Mönch an.
Es war Clemens gelungen, sich unter unsäglichen Qualen aufzurichten. Er saß auf der Fahrbahn, stützte sich mit der linken Hand ab und hielt in der ausgestreckten Rechten das Kreuz, das genau auf den Körper der Vampirin wies. Diesmal hatte sie keine Furcht. Jetzt war sie bewaffnet. Nur kurz hob sie die Waffe an. Dann schoß sie.
Bis zuletzt hatte der junge Pater es nicht glauben wollen. Er war von der kleinen Mündung auf eine erschreckende Art und Weise fasziniert gewesen und sah dann das kurze fahle Aufblitzen, bevor ihn die Kugeln trafen. Das Kreuz zersplitterte, getroffen von den Bleimantelgeschossen, die Holzstücke flogen durch die Luft und regneten auf einen leblosen Körper nieder, sofern sie nicht vom Wind erfaßt und weggeweht wurden. Der Kampf hatte sehr lange gedauert, doch Lady X war es gelungen, ihn für sich zu entscheiden.
Der Mönch lebte nicht mehr, das Kreuz war zerstört. Sie lachte leise, hob ihren Mantel auf und ging hinüber zu dem Toten. Dann bückte sie sich und schleifte ihn an den Rand der Straße, wo es steil in die Tiefe ging. Zwischen zwei Begrenzungssteinen rollte sie den Toten über die Kante, der in die Tiefe fiel, Geröll mitriß, durch ein grau gewordenes Schneefeld rutschte und irgendwo liegenblieb. Danach kümmerte sie sich um die Maschine. Irgendwo mußten die Kugeln stecken. Sie öffnete die beiden Packtaschen. Als sie die Klappe an der linken hochhob, da sah sie das braune Päckchen.
Zufrieden war das Lächeln, das auf ihren Lippen lag. So hatte sie es sich gewünscht. Endlich hielt sie die geweihten Kugeln, die sie so dringend benötigte, in den Händen. Zufrieden bewegte sie ihren Kopf. Sie nahm das Päckchen heraus und ließ es in der Innentasche des Mantels verschwinden, den sie anschließend überstreifte. Noch stand die Maschine auf der Straße. Sie sollte verschwinden, aber das wollte nicht die Scott übernehmen, sondern ein anderer. Sie wußte auch, wer. Sie brauchte ihn nicht zu rufen, denn er kam schon den Hang herunter. Er hatte dort gesessen, damit er alles genau beobachten konnte. Zuerst fiel Geröll auf die Straße, denn die Gestalt schaute nicht genau hin, wo sie auftrat. Es war ihr egal. Da knickten Zweige, da wurde Gras aus dem Boden gerissen, aber der Weg war frei. Frei für Xorron!
Mit einem letzten Sprung überwand er die noch trennende Distanz und landete auf der Fahrbahn, wobei er etwas mit beiden Händen festhielt. Es war ein Würfel.
Ein besonderer Quader, die stärkste Waffe, die Lady X als Erbe des Solo Morasso übernommen hatte. Man nannte ihn den Würfel des Unheils, und seine Herkunft lag selbst für die Vampirin im Dunkel der Zeiten.
Sie hatte Xorron, diesem unheimlichen Monster, den Würfel zu treuen Händen übergeben. Jetzt wollte sie ihn wieder an sich nehmen und verlangte ihn zurück. Xorron gab ihn widerspruchslos ab. Er hatte Lady X anerkannt, im Gegensatz zu dem anderen Monster, das noch zur Mordliga gehörte, Vampiro-del-mar. Ihm hätte die Scott den Würfel niemals gegeben, denn ihm paßte es nicht, daß er ins zweite Glied gerückt war und die Befehle der Lady X entgegennehmen mußte.
»Wirf die Maschine in die Schlucht!« befahl die Vampirin.
Xorron gehorchte. Als bestünde die Honda aus Pappe, so leicht hob er sie an und schleuderte sie dort über den Rand, wo auch die Leiche des Mönchs verschwunden war.
Beide lauschten dem Echo nach, das entstand, als die Honda gegen Felsen und Steine prallte. Danach war es ruhig.
Lady X wandte sich ab. Ihre Aufgabe war erfüllt. Sie hatte die Silberkugeln, und Sinclair würde sich wundern…
***
Ich wunderte mich in der Tat. Und zwar über das Telegramm, das mir der Pater geschickt hatte. Gleichzeitig war ich entsetzt. Als ich es sinken ließ und Suko anschaute, war auch sein Gesicht bleich geworden.
Mit wenigen Worten hatte Pater Ignatius alles Wesentliche in dem Telegramm zusammengefaßt.
Jetzt wußte ich auch, aus welchem Grund der Nachschub an geweihten Silberkugeln nicht bei mir eingetroffen war. Er konnte nicht eintreffen, denn man hatte den Boten auf dem Weg vom Kloster hinunter nach Peelham überfallen und brutal ermordet. Seine Leiche war, wie auch das Motorrad, in einer Schlucht gefunden worden. Man hatte den Boten erschossen. Laut Polizeibericht sollte er von sechs Kugeln getroffen worden sein, abgefeuert aus einer Maschinenpistole. Soweit das Telegramm, das noch mit einem Hilferuf des Paters an mich verbunden war.
Ich aber dachte schon eine Etage weiter. Der
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