026 - Bote des Grauens
diesem Konvoi war. Und mit ihm an Bord, schien es unwahrscheinlich, dass sie je ihr Ziel erreichen würde. Dabei wartete in London vielleicht schon die Versicherung auf ihn, dass es Laura gut ging. Er konnte an nichts anderes mehr denken, sich auf nichts sonst konzentrieren.
Zweimal hatte er versucht, sich beim Kartenspiel abzulenken. Aber beide Male hatte er bereits bei der eisten Hand, ohne sie überhaupt anzusehen, die Karten auf den Tisch geworfen und war ohne Erklärung, ohne Entschuldigung aufgestanden.
Stimmen drangen aus dem verdunkelten Salonfenster und die Worte begannen, in Clays Bewusstsein zu dringen.
„Entsetzlich, so verwundet zu werden.“ Clay erkannte die Stimme, sie gehörte einem Air Force Leutnant. „Ich hoffe, dass ich nie so auf einen Stock gestützt herumhinken muss.“
„Aber er ist doch ganz wiederhergestellt!“ brummte ein anderer ungehalten. „Wie wär’s, wenn Sie endlich Ihren Gewinn einstreichen würden, damit wir weiterspielen können.“
„Ich habe nie einen Menschen gesehen, der so nervös ist.“ Der Leutnant ließ sich nicht ablenken. „Bei der geringsten Kleinigkeit geht er in die Luft.“
„Wollen Sie damit sagen“, warf eine dritte Stimme geduldig ein, „dass er Angst vor einem neuen Einsatz hat?“
„Was sollte es sonst sein?“
„Das zeigt wieder einmal, welch schlechte Menschenkenntnis Sie haben“, tadelte die dritte Stimme. „McLean ist nur besorgt, weil er seine Frau nicht erreichen konnte, ehe wir in See stachen. Und auf Grund der Sicherheitsbestimmungen dürfen unterwegs keine Nachrichten übermittelt werden. Also muss er warten, bis wir in England anlegen. So etwas haut den stärksten Mann um.“
„Oh Ich wusste nicht, dass es … ich hatte keine Ahnung …“, stotterte der Leutnant.
Clay beeilte sich, vom Fenster wegzukommen. Er wanderte rastlos auf dem Deck herum und blickte hinauf zu dem halb von Wolken verdeckten Mond, der einen Silberschimmer aufs Wasser warf. Die Maschinen der Empire stampften gleichmäßig, und nur manchmal, wenn das Schiff die Nase tief in einen der Wellenberge steckte, schnaubte es heftig.
Die Gewohnheit trieb Clay hinauf auf die Brücke und von dort in die Funkkabine. Der Funker, ein junger Mann, der sich einen Schnurrbart wachsen ließ, um älter zu wirken, wunderte sich ein wenig über die häufigen Besuche dieses Offiziers. Der Krieg erlaubte keine persönlichen Funkmeldungen. Trotzdem starrte der Fliegerleutnant oft stundenlang auf den Apparat, als ob ihm sein Schweigen etwas verraten könnte.
Ein Summen drang aus den Kopfhörern und der Funker stülpte sie über die Ohren. „Jetzt senden sie nicht einmal ein richtiges SOS mehr“, sagte er traurig. „Nur noch S und die Positionsangabe. Es ist die Merchant Queen.“ Er notierte den Standort. „Die See ist dort viel ruhiger. Zu verdammt ruhig. Genau das, worauf die U-Boote lauern. Ist unser Begleitschutz noch in der Nähe?“
„Zumindest war er es noch, ehe ich heraufkam“, versicherte ihm Clay.
„Es ist schon soweit, dass nicht einmal Zerstörer sie noch abhalten“, brummte der Funker. „Wir wären genau das richtige Fressen für sie. Fünf Versorgungsschiffe auf einmal.“
„Wir werden schon durchkommen“, beruhigte ihn Clay, war aber selbst nicht so recht überzeugt davon. Er schenkte dem Funker eine Schachtel Zigaretten und stapfte hinaus in die Nacht. Minutenlang starrte er auf das Schiff unmittelbar hinter ihnen, das im trügerischen Mondlicht nur verschwommen zu erkennen war.
„O Gott, wenn ich nur etwas tun konnte“, seufzte er. So irrte er lediglich auf dem engen Schiff herum und machte sich Sorgen, ob ihr vielleicht etwas zugestoßen war. War sie gar tot? Bestimmt würde sie sein Telegramm erhalten, wenn sie noch lebte, denn sie musste ja ihre neue Adresse angegeben haben.
Der Wind biss an ihm und trotzdem er es nicht bewusst beachtete, störte es ihn schließlich doch. Er zog sich in seine Kabine zurück und ließ sich voll angekleidet auf die Koje fallen. Seit ihrer Abfahrt von Halifax hatte er keinen Schlaf gefunden und er erwartete auch jetzt keinen. Aber seine Erschöpfung war so groß, dass er sofort in tiefen Schlummer versank.
Nach einer geraumen Weile, die ihm wie eine Sekunde vorkam, spürte er das Beben des Schiffes, und seine Ohren schmerzten von den lauten Rufen und einem unbestimmbaren Laut.
Clay richtete sich auf und öffnete im Dunkeln das schwarzbestrichene Bullauge. Er war erstaunt über die Helligkeit, die ihn
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