026 - Der Doppelgänger
mechanisch und blieb an der Tür seines Zimmers stehen.
»O nein, nicht hier hinein!« Sie erklärte das so energisch, daß er ihr ohne weiteres in das obere Geschoß zu dem Zimmer folgte, das sie für das Ehepaar bestimmt hatte, das ihr beim großen Reinemachen helfen sollte. Heloise ging hinein - sie kannte den Raum ja schon.
»Gute Nacht«, sagte sie leise.
»Sie haben aber etwas vergessen«, meinte Diana.
»Wenn Sie glauben, ich küsse ihn, dann irren Sie sich, meine Dame«, gab Heloise kühl zurück und wollte die Tür zuschließen.
»Aber es ist doch Ihr Mann!«
Die Tür wurde zugeschlagen. Diana hörte, wie Heloise einen Stuhl heranzog, und vermutete, daß sie die Lehne unter die Klinke gestellt hatte. Gordons Kehle war trocken.
»Sie haben sich wohl gezankt?« fragte Diana. »Oder vielleicht sind Sie gar nicht ...«
»Nein, ich bin nicht!«
Sein Magen knurrte laut. Er hatte nie vermutet, daß eine Reihe so häßlicher Töne aus ihm hervorkommen könnte.
»Dann muß ich also noch einen besonderen Raum für Sie suchen!« Sie legte den Schlüssel an ihre Lippen und überlegte.
»Kommen Sie mit!«
Am äußersten Ende des Ganges lag noch ein kleines Zimmer - das Bett war noch nicht bezogen.
»Dort sind die Bettücher!« Diana zeigte auf einen Schrank.
»Morgen werde ich auch Decken für Sie suchen. Immerhin ist das Bett viel komfortabler als die Pritsche in einer Polizeizelle!«
Sie schloß die Tür hinter ihm zu.
Das Fenster war offen, aber es gab keine Möglichkeit, dort zu entkommen. Die Wand fiel unter dem Fenster senkrecht acht Meter bis zum Boden des Hofes ab. Gordon entschied sich dafür, vorläufig zu Bett zu gehen.
18
Diana wachte plötzlich auf. Sie hörte nur entfernt das Schnarchen von Mr. Superbus, aber sie hatte das untrügliche Gefühl, daß irgend etwas nicht in Ordnung war. Sie stand auf, schlüpfte in ihren Morgenrock und schaute aus dem Fenster. Auf dem Gehsteig drüben stand eine Gestalt, ein ziemlich kleiner Mann mit runden Schultern. Sie konnte ihn deutlich in dem Licht der Straßenlaterne erkennen, die gerade ihrem Hause gegenüberstand. Sie ahnte sein Gesicht mehr als sie es erkannte, und allmählich wurde ihr klar, daß es Stark, der Fensterputzer, war.
Als er sie sah, trat er schnell zurück. Sie beugte sich weiter hinaus und entdeckte einen Polizisten, der langsam die Straße entlangkam. Er erreichte die gegenüberliegende Ecke und blieb stehen, ging ein paar Schritte nach Cheynel Gardens hinein und hielt dann wieder an. Es war früh am Morgen, und die Straßen lagen verlassen, so daß er es riskieren konnte, sich heimlich eine Pfeife anzustecken, was allerdings ganz gegen die Dienstvorschriften war. Die Gestalt, die sich drüben eng an die Mauer lehnte, regte sich nicht.
»Was wollen Sie?« fragte Diana plötzlich laut über die Straße hinüber.
Mr. Stark schaute hinauf.
»Nichts, Madam, ich kann nur nicht schlafen«, stotterte er.
»Gehen Sie einmal zu dem Polizisten, der wird schon Rat wissen!«
Er verschwand in der engen Straße, die an ihrer Hofmauer vorbeiführte, aber gleich darauf kam er wieder zurück und ging kühn nach der Hauptstraße zu.
Der Polizist trat auf ihn zu, und nach einer kurzen Unterhaltung zwischen den beiden entfernte sich Mr. Stark endgültig. Diana glaubte bemerkt zu haben, daß der Polizist seine Taschen abgetastet hatte.
Sie war nun ganz munter. Es war erst Viertel nach drei. Sie nahm den Schlüssel aus ihrer Handtasche, schloß ihr Zimmer auf und lauschte. Der wachsame Mr. Superbus meldete sich sofort.
»Ich bin's, Mr. Superbus.« Diana war froh, daß er so auf dem Posten war. »Ich fürchte nur, Sie liegen auf dem Flur recht unbequem.«
»O nein, ich schlafe nur sehr selten. Napoleon schlief auch nur wenig, wenn wir den Berichten trauen dürfen. Wünschen Sie etwas?«
»Ich will in die Küche gehen und eine Tasse Tee machen«, sagte sie und stieg die Treppe hinunter. Sie war sehr hungrig.
Sie kochte Tee, fand ein Paket Keks und rief Mr. Superbus leise, daß er kommen solle, um etwas zu essen.
»Vielleicht ist es gut, wenn wir etwas mehr Licht machen.« Sie drehte den elektrischen Schalter in der Diele an. »Kommen Sie nur herein, Mr. Superbus!«
Die Tür des Studierzimmers öffnete sich nicht, als sie die Klinke herunterdrückte. Sie runzelte die Stirn.
»Ich bin ganz sicher, daß ich diese Tür nicht verschlossen habe!« Sie nahm den Schlüssel von ihrem Bund und schloß auf. Aber die Tür war von innen
Weitere Kostenlose Bücher