0262 - Non-Stop in die Ewigkeit
an die Sechzig sein, und sie gab sich keine Mühe, jünger zu erscheinen. Sie hatte ein glattes, feistes Gesicht mit einem leichten Anflug von Schnurrbart auf der Oberlippe. Das Haar trug sie in einem strengen Knoten.
Sie keuchte ein wenig, als sie sich in einen Sessel fallen ließ.
»Bitte entschuldigen Sie, dass wir Sie noch mitten in der Nacht sprechen möchten, aber…«
»Schon gut«, unterbrach sie. »Ich weiß, dass in einem solchen Fall Eile wichtig ist. Zählen Sie auf mich, Mr. G-man.«
Der Schnurrbart war nicht das einzig männliche an Mrs. Rashin. Auch ihre Stimme war ungewöhnlich tief.
Ihre Personalien boten nichts Besonderes. Sie war irgendwann einmal verheiratet gewesen, aber das schien eine außerordentlich unbedeutende Episode ihres Daseins gewesen zu sein. Seit über sieben Jahren führte sie Ethel Sherwoods Haushalt. Im Verlauf des Verhörs stellte sich heraus, dass sie ihre Chefin für spleenig gehalten und offenbar nicht ganz ernst genommen hatte.
»Na, die Arme hatte ’ne Menge komischer Ideen«, dröhnte Mrs. Rashin.
»Fühlte sich immer berufen, den Tramps unter die Arme zu greifen.«
Mrs. Rashin beugte sich vor, soweit das ihre Figur gestattete. »Man soll von einem Toten ja nur Gutes reden, Mr. G-man, und ein so schreckliches Ende hat sie wahrhaftig nicht verdient, aber der ganze Wirbel, den sie um ihre Hilfe für Tramps und Vagabunden veranstaltete, diente ihr nur dazu, sich mit allen möglichen Leuten herumzuzanken. Sie war eine streitsüchtige Natur.«
»Danke für diese Informationen, Mrs. Rashin«, sagte ich. »Wir wollen jetzt auf die Einzelheiten zu sprechen kommen. Fest steht, dass Miss Sherwood sich mit dunklen Gestalten abgab. Es besteht einige Wahrscheinlichkeit, dass der Mörder unter diesen Leuten zu suchen ist. Einiges weist darauf hin, dass Ethel Sherwood den Mann, der sie tötete, in ihre Wohnung einließ. Sie muss ihn also gekannt haben, und es könnte sich um einen Tramp gehandelt haben, der unter dem Vorwand, ihre Hilfe zu brauchen, Einlass fand.«
»Ausgeschlossen«, dröhnte Mary Rashin energisch. »Ethel Sherwood ließ nie einen Vagabunden in ihre Wohnung. In den sieben Jahren, die ich in ihrem Haus arbeite, hat nie ein Tramp die Schwelle überschritten. Privat hatte Miss Sherwood keinen Sinn für Mildtätigkeit. Ihre Schwäche für Tramps offenbarte sie nur in der Öffentlichkeit. Das war bei ihr wie mit dem Job eines Mannes, Berufsleben und Privatleben streng getrennt, wenn Sie verstehen, was ich meine, Mr. G-man.«
»Ja, ich verstehe. Aber die Haustür fanden wir offen, Mrs. Rashin, und es ist sicher, dass der Täter das Haus nicht durch die Vordertür verlassen hat.«
»Ich kenne keinen Menschen, dem sie die Tür geöffnet hätte«, erklärte die Haushälterin im Ton vollster Überzeugung. »Sie hatte keine Freunde. Die Tür muss mit Gewalt geöffnet worden sein.«
»Mit Gewalt wurde die Hintertür aufgebrochen, aber es ist denkbar, dass der Täter es bei seiner Flucht tat. Es ist sogar wahrscheinlich, denn die Haltung, in der wir die Tote fanden, lässt darauf schließen, dass Miss Sherwood kein verdächtiges Geräusch hörte.«
Mary Rashin nickte energisch mit dem Kopf. Ihr Doppelkinn geriet dabei in beängstigende Schwingungen.
»Das glaube ich gern. Seit zwei Jahren war sie so schwerhörig, dass sie so gut wie nichts mehr hörte, wenn sie ihren Apparat abgenommen hatte. Und sie nahm ihn ab, sobald sie nach Hause kam. Sie behauptete, sie könne sich an das Ding nicht gewöhnen.«
Phil und ich wechselten einen Blick. Die Schwerhörigkeit seines Opfers erlaubte dem Mörder ohne Rücksicht auf Lärm, mit Gewalt in das Haus einzudringen. Die Tatsache, dass er die Terrassentür kurzerhand aufgebrochen hatte, bewies, dass er von dieser Schwerhörigkeit gewusst hatte.
»Sie teilen uns wichtige Dinge mit, Mrs. Rashin«, sagte ich. »Bitte, nennen Sie uns jetzt die Namen aller Bekannten von Ethel Sherwood.«
Sie diktierte uns eine lange Liste von Namen. In den seltensten Fällen wusste sie auch die Adresse dazu, und eine ganze Anzahl von Namen versah sie mit dem Zusatz »oder so ähnlich muss er geheißen haben«.
»Das genügt zunächst, Mrs. Rashin«, sagte ich, als ihr keine Namen mehr einfielen. »Wohin kann ich Sie fahren lassen? Ich nehme nicht an, dass Sie in der Sherwood-Villa übernachten wollen.«
»Nein«, antwortete sie, »das wäre für meine Nerven zu viel. Ich kenne ein kleines Hotel in der Bronx. Lassen Sie mich dorthin fahren.« Sie
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