0265 - In Brooklyn blüht der Galgenbaum
unten lassen, aber der andere kommt hoch! Los, Herrschaften, dies ist eine Galavorstellung und muss klappen, sonst wird der Onkel G-man böse.«
Ich legte den Sack auf den Fußboden, hielt ihn mit der linken Hand auf und schob mit dem Fuß das Waffensammelsurium nach und nach hinein, während ich die Dienstpistole in der rechten Hand behielt.
»Nimm den Sack, Tony«, sagte ich.
Fluchend lud er sich den Sack auf den Rücken. Ich hatte für den Notfall ein Paar Handschellen mitgebracht. Ich hakte damit die beiden Männer aneinander. Dann setzte ich Tony die Pistole in die linke Seite und sagte:
»Ab geht die Post!«
Sie setzten sich in Bewegung. Schritt folgte auf Schritt. Die Schwingtür wurde passiert. Als wir am Fuß der Treppe standen, sah ich oben die wütenden, von Hass verzerrten Gesichter der Gangster.
»Stopp«, sagte ich.
Tony und sein angeketteter Mann blieben stehen.
Ich entsicherte meine Pistole und zog den Stecher ein klein wenig an.
»Ich spüre den Druckpunkt«, sagte ich langsam. »Wenn mich einer von deinen Leuten auch nur anhustet, Tony, könnte sich der Schuss lösen. Du müsstest dich dann bei dem entsprechenden Mann bedanken - sofern du das mit einem Loch in der Figur noch kannst.«
Von der Seite her sah ich, dass auf seiner Stirn die Schweißperlen sich schon zu kleinen Bächen vereinigten und herab auf die Brauen flossen.
»Schert euch zum Teufel, ihr verdammten Idioten!«, schrie-Tony wütend die Treppe hinauf. »Wollt ihr vielleicht, dass er mich umlegt?«
Die anderen oben verschwanden. Aber die Wut loderte aus ihren Augen. Ich atmete tief. Es können höchstens noch zehn Minuten sein, redete ich mir ein. In zehn Minuten bist du durch. Nun behalte die Nerven.
Du hast gut reden, sagte eine andere Stimme in meinem Gehirn. Wer weiß, was für einen verfluchten Trick sich die Burschen ausknobeln, ehe du mit den beiden am Jaguar angekommen bist. Verdammt, wie lang ist diese Treppe?
Und dann spürte ich, dass auf meiner eigenen Stirn ja auch schon der Schweiß stand…
***
Mr. High, der Chef des New Yorker FBI-Büros, kam an diesem Freitag erst gegen elf Uhr dazu, den zweiten Teil der am Vormittag eingegangenen Post zu lesen. Er blätterte die dicke Mappe Blatt für Blatt um, in die seine Sekretärin die einzelnen Schreiben gelegt hatte.
Plötzlich stieß er auf einen Brief, der sowohl in der äußeren Aufmachung als auch seinem Inhalt nach völlig anders war als die anderen Schreiben. Zunächst bestand hier der Brieftext aus aufgeklebten Zeitungsbuchstaben. Und dann war da der Text:
An FBI! Freitag zwischen halb elf und elf wird Bombe in U-Bahn explodieren wie schon vor einer Woche angekündigt. Nieder mit Amerika!
Der Feind Mr. High runzelte die Stirn, las den Text zweimal und klingelte seiner Sekretärin. Sie kam sofort. »Wann ist dieser Brief angekommen?«, fragte der Chef.
»Mit der zweiten Morgenpost, Sir. Ich habe ihn vor etwa zehn Minuten geöffnet. Die Bombenabteilung der Stadtpolizei ist sofort von mir verständigt worden. Bis jetzt liegt noch keine Meldung vor. Wenn Sie innerhalb von dreißig Minuten nicht zum Sichten der Post gekommen wären, wollte ich Sie auf dieses Schreiben gesondert aufmerksam machen.«
Mr. High lächelte. Seine Sekretärin arbeitete schon so viele Jahre für das FBI und in der verantwortlichen Stellung, die der Posten einer Chefsekretärin im Distriktsbüro nun einmal darstellt, dass man ihr getrost eine Menge Arbeit überlassen und trotzdem sicher sein konnte, dass alles Nötige geschehen würde.
»Gut, danke«, sagte der Chef. »Wo ist der Umschlag?«
»Ist bereits in der daktyloskopischen Abteilung für die Suche nach Fingerspuren und wird von dort gleich weitergegeben ans Labor.«
»Sie sind ein Muster an Zuverlässigkeit«, lächelte der Chef. »Schicken Sie den Briefbogen gleich hinterher. Die übliche Prozedur.«
»Ja, Sir«, nickte die Sekretärin und nahm den Bogen sehr vorsichtig mit den Fingerspitzen an der äußersten rechten Ecke. Als sie hinausging, hörte der Chef im Vorzimmer das Telefon anschlagen.
Gleich darauf summte sein Apparat.
»High«, sagte er, nachdem er den Hörer genommen hatte.
»Die Bombenabteilung«, rief die Sekretärin und stellte die Verbindung her. Bei der New Yorker Stadtpolizei wird seit Jahr und Tag eine eigene Bombenabteilung unterhalten, denn im Durchschnitt vergeht kein Tag, ohne dass nicht irgendwo in New York etwas explodiert. »Hier ist Captain Manders«, dröhnte eine sonore Bassstimme durch
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