0266 - Der Flammengürtel
sich die Nacht über Rom. Die Ruinen der leergebrannten Häuser ragten wie Schattenungeheuer zum Himmel. Der Mond ergoß seinen silbrig weißen Schein über eine Landschaft des Grauens. Leicht hoben sich die Konturen einer Gestalt ab, die durch die Ruinen huschte.
Kaiserin Poppäa war auf dem Wege zu Locusta, der Gifthexe vom Aventin. Doch was trieb die allmächtige Augusta des Reiches auf diesen Pfad des Grauens? Wollte sie einen Trank, der ihren Gatten erneut an sie band? Einen Liebeszauber?
Nein … ein Gift sollte es sein. Ein tödliches Gift für ihre Feindin. Im Geiste sah Poppäa schon, wie sich das blonde Mädchen in Todeszuckungen wand.
Regina Stubbe sollte sterben. Erst dann konnte Poppäa wieder Ruhe finden.
Eine Öllampe erhellte trübe den Eingang zur Behausung der Hexe. Die Kaiserin hatte der Gifthexe noch nie persönlich gegenüber gestanden. Angst legte sich wie eine Stahlklammer auf ihr Gemüt. Das ganze Haus schien eine Aura der Boshaftigkeit zu versprühen.
Gewaltsam die würgende Angst niederkämpfend rief sie den Namen der Locusta.
Schrilles Geschrei und heiseres Krächzen antwortete von innen. Dann das Geklapper von durcheinandergeworfenem Geschirr und schlurfende Schritte hinter der Tür. Ein Quietschen, als das rostige Schloß gedreht wurde, ein Kreischen der Angeln, als die Tür zur Hexenbehausung aufschwang.
Poppäa schloß die Augen. Es war weniger das hellodernde Feuer, das sie blendete –, sie wurde von der Häßlichkeit abgestoßen, die sie erblickte.
Cleophelia, die der Kaiserin geöffnet hatte, lud sie mit einer stummen Handbewegung ein, näher zu treten. Die verschiedenen, rostroten Flecken auf ihrem schmutzigbraunen Gewand ließen Poppäa an die Scheußlichkeiten denken, die man sich in Rom über die Hexe zuflüsterte.
Das Volk munkelte von fürchterlichen Blutopfern, die den Lamien der Unterwelt durch die Striga, wie man im alten Rom die Hexen nannte, dargebracht wurden. Denn die Zutaten zu einem echten Hexentrank erscheinen den Fantasien eines Irren entsprungen. Der gesunde Geist des Menschen weigert sich zu glauben, auf welche unvorstellbare Art sie zu ihren Gebräuen und Suden kommen.
Langsam und zögernd ging Poppäa voran. Warum, in der Götter Namen, hatte sie diesen Weg gemacht? Ein Dolch oder eine Seidenschnur in der Hand eines ihr treu ergebenen Sklaven hätte auch zum Ziel geführt.
»Tritt näher, mein Täubchen!« kicherte es aus einer dunklen Ecke des Raumes. »Du wirst dich doch nicht vor einer alten Frau fürchten?« Schattenhaft erkannte die Kaiserin die unschönen Züge der Locusta, die in einer Nische kauerte. Die Behausung war eine Höhle im Felsen, die sich nach oben wölbte. Irgendwo war ein geheimer Abzug, durch den der Rauch des hellodernden Feuers entweichen konnte.
Wie Flammengeister tanzte die rote Lohe. Unwirklich huschten die Schatten über die Wände, gleich den Gespenstern der Unglücklichen, die durch die teuflischen Künste der Locusta ihr Leben verloren hatten. An den Felswänden waren Regale angebracht, die mit Flaschen und Behältern der unterschiedlichsten Formen vollgestopft waren. Unzweifelhaft bargen sie die geheimen Zutaten, die zur Mischung der verfluchten Elixiere unerläßlich waren.
»Was zögert die Kaiserin?« kicherte die Stimme der Locusta. Tratonice und Cleophelia hatten sich zu ihren Füßen gekauert. Die Schülerinnen der Gifthexe und Erbinnen des verdammten Wissens. Die Hüterinnen des lautlosen Todes.
Der Blick Poppäas schwankte zwischen der Hexe und dem mächtigen Kessel über dem Feuer hin und her. In dem großen Gefäß, das an einer Kette an einem Dreifuß hing, brodelte und zischte ein Sud, als würden darin die Seelen der in alle Ewigkeit Verfluchten die Pein der Hölle erleiden. Der süßliche Geruch des Hexenelixiers legte sich lähmend auf die Atemwege der Kaiserin. Würgendes Husten kam aus ihrer Kehle. Die Hexe ließ ein meckerndes Lachen hören.
»Das liebe ich!« höhnte sie. »Du willst dich mit den Mächten des Bösen verbinden und vermagst ihre Wohlgerüche nicht zu ertragen. Dem läßt sich abhelfen …«
Im nächsten Augenblick straffte sich die Gestalt der Striga. Dürre, fleischlose Finger führten beschwörende Gesten in der Luft aus. Ein fast zahnloser Mund murmelte unverständliche Worte, deren Sinn Uneingeweihten fremd ist.
Wahrheit oder Illusion? Geschickte Suggerierung oder wahrhaftige Zauberkunst? Die Kaiserin konnte es nicht erklären. Doch der häßliche, süßliche
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