0278 - Amoklauf des Messerstechers
Da drängten sich die Menschen, bis zur Bühne gab es keinen freien Fleck.
Und dort war das Grauenhafte passiert.
Um eine genügend schaurige Untermalung zu bekommen, wallten dicke Nebelschleier über den Boden, die sich manchmal hochrollten, bis sie die Größe eines Menschen bekamen.
Nur schattenhaft sahen wir die Umrisse. Jemand lag am Boden, das konnten wir erkennen, und wir sahen schwach die Umrisse der Person, die geschrien hatte. Sie stand ebenfalls auf der Bühne. Zusammen mit einer zweiten Gestalt, die wir trotz des Nebels identifizierten, denn sie hatte keinen Kopf mehr.
»El Diablo!« keuchte Suko.
Der Schrei zeigte Signalwirkung. Er war nur der Anfang, denn im nächsten Augenblick pflanzte er sich fort, ausgestoßen von zahlreichen Kehlen, und besonders die Menschen, die dicht an der Bühne standen, gerieten in den Kreislauf.
Rufe des Entsetzens gellten durch die Disco. Jeder wollte plötzlich weg, und keiner wußte, wo sich der zweite oder der Notausgang befand. Wie eine Welle pflanzte sich die Panik fort, und die Welle rollte in Richtung Tür, wo wir standen. Natürlich erfaßte sie auch uns. Wir kamen plötzlich nicht mehr weg. Es gelang uns zwar noch, drei, vier Schritte nach vorn zu drängen, dann aber waren wir eingekeilt zwischen den schwitzenden Leibern der Gäste, die alle auf einmal die Disco fluchtartig verlassen wollten.
Suko und ich wurden auseinandergedrängt. Ich hörte meinen Partner noch schimpfen, sah ihn mit den Armen rudern, dann stemmte auch ich mich gegen die Woge aus Leibern und versuchte mit aller mir zur Verfügung stehender Kraft in Richtung Bühne zu gelangen, wobei ich auch an der Bar vorbei mußte, die sich als großes Dreieck in den Raum ausbreitete.
Es wurde verdammt kritisch.
Ich bekam Stöße, Schläge und Püffe ab, schaute in verzerrte Gesichter, weit aufgerissene Augen, aus denen die Panik leuchtete, und versuchte die Menschen zur Seite zu drücken, um mir freie Bahn zu verschaffen.
Das war verdammt nicht einfach. Hatte ich zwei geschafft, drängte die doppelte Anzahl nach, und jeder schrie und brüllte. Es war für mich unmöglich, den Blick auf die Bühne zu richten, er wurde mir stets verwehrt, aber ich gab nicht auf.
Plötzlich erschien vor mir ein bekanntes Gesicht. Es gehörte José Bexiga.
Der junge Spanier hielt das Mädchen namens Silvia umklammert. Gemeinsam wollten sie weg.
Er hatte mich noch nicht gesehen. Erst als ich seinen Namen laut und deutlich schrie, wurde er aufmerksam und drehte sich herum. »Sinclair!« schrie er.
»Was ist los?«
»El Diablo hat den Magier getötet. Auf der Bühne.« Er wollte noch etwas hinzufügen, doch nachfolgende Leiber spülten ihn aus meiner Reichweite.
Ich hatte das Nachsehen und mußte allein weiter.
Die Hälfte der Distanz schaffte ich. Dabei verlor ich natürlich Zeit, die der andere nutzen konnte. Auch Suko würde sicherlich kaum durchkommen, und der unheimliche Köpfer konnte sich in aller Ruhe sein nächstes Opfer aussuchen.
Dann war es soweit. An der Bar konnte ich besser vorankommen. Ich drückte mich an einer Seite des Dreiecks entlang, trat in die Scherben zerbrochener Gläser und sah jetzt die Bühne nicht weit entfernt vor mir.
Auch die Masse der Menschen war nicht mehr so dicht. Die meisten befanden sich hinter mir.
Zwei Barmädchen, die sich schreiend an mich festklammern wollten, schob ich noch zur Seite, dann gelang es mir relativ leicht, den Rest der Strecke zurückzulegen.
Eine schmale hölzerne Trittleiter führte auf das etwas erhöht liegende Podest, wo sich der Nebel zum großen Teil verflüchtigt hatte. Seine Reste krochen noch immer wie feine Schleier über den Boden.
Vor meinen Füßen lag er.
Es war der Magier. Seine rote Kleidung schwamm in der Blutlache. Den Kopf fand ich ein Stück entfernt auf dem Bühnenboden liegend. Ich konnte einfach nicht hinschauen und dachte nur an El Diablo.
Er war verschwunden.
Von der Bühne war er nicht gesprungen. Er hatte sich also nicht unter das zum Ausgang rasende Publikum gemischt und mußte demnach woanders stecken.
Aber wo?
Ich überlegte blitzschnell, welche Möglichkeiten es da gab.
Wahrscheinlich war er in den Hintergrund der Bühne getaucht, wo es vielleicht einen weiteren Ausgang gab.
Da wollte ich auch hin.
Dann hörte ich Sukos Stimme. »John, warte!«
Ich drehte mich um und sah, wie mein Partner auf die Bühne kletterte. Er atmete schwer, schüttelte den Kopf und sagte: »Panikerfüllte Menschen sind schlimmer als
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