0280 - Turm der weißen Vampire
Gestalten merkten, wie sehr sie an Kraft verloren hatten. In der Burg war es zwar düster, dennoch brauchten sie die richtige Dunkelheit, um sich regenerieren zu können.
Und die würden sie in ihren Höhlen finden.
Gemeinsam gelang es ihnen, das alte im Laufe der Zeit brüchig gewordene Holz zu zerschlagen.
Der Reihe nach krochen sie in den Teil der Burg, der mit dem Grauen überladen war.
Finstere, unheimliche Gänge, in denen es kalt und modrig roch.
Manchmal mußten sie kriechen, um sich überhaupt fortbewegen zu können. Danach ging es wieder besser, und sie gelangten in ein Verlies, in das kein Sonnenstrahl fiel.
Licht brauchten die weißen Vampire nicht. Sie fanden sich auch in der Dunkelheit zurecht.
Und sie orientierten sich aneinander. Sie faßten sich an, stießen manchmal grunzende oder schmatzende Laute aus, und die ersten dumpfen Geräusche erklangen, als sie mit ihren mageren Körpern gegen die Kisten stießen, die hier unten noch immer standen.
Es waren sieben Särge.
Sie paßten genau in diese unheimliche Umgebung hinein. Ihre Umrisse vermischten sich mit der stockigen Finsternis, die wie schwarze Watte das Verlies ausfüllte.
Da knarrte und ächzte es, als die Blutsauger nach langer Zeit wieder in ihren gewohnten Särgen Platz fanden.
Bevor sich alle hingelegt hatten, durchbrach eine rauhe Stimme das Schweigen und die Dunkelheit.
»Blut, Brüder, wir werden es bald bekommen…«
Danach fielen sie in ihren Tagesschlaf…
***
Mag ein Ort noch so klein sein, eine Gaststätte gibt es immer.
So auch auf der Insel.
Ich hatte die Häuser zwar nicht gezählt, viele waren es jedenfalls nicht. Wir sahen auch die Gaststätte. Da stand die Tür ebenfalls offen. Der Wirt oder die Wirtsleute schienen ihr Geschäft in aller Eile verlassen zu haben.
Das Haus bestand zur unteren Hälfte aus Steinen. Die obere war mit Holz verkleidet worden, das auch schon Anzeichen einer starken Verwitterung zeigte.
Es roch noch nach kaltem Rauch, als wir die Gaststätte betraten.
Ein zotteliger Hund sprang auf, sah uns, knurrte kurz, zog den Schwanz ein und verschwand nach draußen.
Die Menschen konnten die Insel noch nicht lange verlassen haben, denn auf den Tischen und Stühlen lag kaum Staub. Sie waren aus klobigen Holzteilen gebaut worden, und zu viert nahmen wir an einem runden Tisch Platz.
Ich besorgte etwas zu trinken. Wir alle konnten jetzt einen Whisky vertragen. Ich fand vier Gläser und legte Geld auf die Theke, denn wir wollten hier nichts umsonst nehmen.
Ruth rauchte eine Zigarette. Den Rauch stieß sie durch die Nasenlöcher aus und schaute ins Leere.
Ich schenkte ein. Suko wollte keinen Whisky, aber Father Ignatius nahm einen kräftigen Schluck.
Auch Ruth trank. Zweimal setzte sie an, dann war das Glas leer.
In ihre Wangen kehrte wieder Farbe zurück, und sie schaute mich direkt an. »Jetzt haben Sie bestimmt einige Fragen, nicht wahr?«
»Davon können Sie ausgehen. Erst einmal möchte ich wissen, was Sie hierher auf die Insel geführt hat?«
»Ich komme des öfteren her, weil ich die Kinder unterrichte. Ich bin Lehrerin und muß einige Inseln abfahren. Das geschieht in einem Wochenturnus.«
»Sind Sie mit dem Boot unterwegs?«
Sie nickte. »Ja, es steht im Hafen. Ich bin den Rest der Strecke mit meinem Jeep gefahren.«
»Wußten Sie, was hier geschehen war?« wollte Suko wissen.
»Nein, nicht genau. Ich wurde gewarnt. Das heißt, mein Vater sagte mir beim letzten Besuch, daß es Pater Robanus sehr schlechtginge und er wohl sterben würde. Das ist ja eingetreten. Deshalb konnte der Bann nicht mehr halten.«
»Und das ist es, worüber ich mit Ihnen reden wollte. Über den Bann«, sagte ich. »Können Sie uns darüber etwas Genaueres berichten?«
»Geben Sie mir noch einen Schluck.«
Ich tat ihr den Gefallen.
Ruth nahm das Glas zwischen beide Hände, preßte die Kante gegen die Unterlippe, trank aber nicht, sondern schaute auf die goldbraune Flüssigkeit. »Der Fluch ist vor langer Zeit ausgesprochen worden. Es war, als der Pater auf die Insel kam. In dem Schloß, das Sie sicherlich gesehen haben werden, lebten damals acht Personen. Ein Vater mit seinen sieben Söhnen. Sie gehörten einem schottischen Clan an, dem Clan der Fairbanks’. Und dieser Clan war verflucht worden. Oder besser gesagt, man hatte sie ausgestoßen. Sie lebten auf dem Festland und beschäftigten sich mit Schwarzer Magie. Es war der Vampirismus, der sie besonders interessiert hatte. Man sprach davon, daß sie
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