0281 - Shimadas Mordaugen
Mensch, eine Frau mit Wünschen, Träumen und Hoffnungen. Was war von ihr zurückgeblieben?
Suko sprach es aus. »Nichts als ein blauer Klumpen«, flüsterte er. »Verdammt, John.«
Dieses Wort hatte ich schon des öfteren in den letzten Minuten gehört.
Es war auch zum Verdammen, einfach grauenhaft, schlimm und kaum in Worte zu fassen.
»Da, sehen Sie selbst, Sinclair«, sagte der Kollege von der Mordkommission. »Und jetzt sagen Sie mir…«
Ich ließ ihn nicht aussprechen. »Das kann ich ebensowenig wie Sie.«
»Schön, daß Sie es zugeben.«
Suko bückte sich. Er hatte sich an unserem Gespräch nicht beteiligt. Wir standen in der engen Tanzbox, in der es nach Schweiß und Parfüm roch. Wie in einem Käfig kam ich mir vor, eingeschlossen, hineingepfercht, einfach unwürdig.
Ich mußte mich schütteln. Man hatte uns gerufen, weil die Kollegen vor einem Rätsel standen, das auch durch Zeugenaussagen nicht gelöst werden konnte.
Da war ein japanisches Mädchen in die Box gegangen, um für einen Kunden zu tanzen. Als die Zeit um war, wunderten sich einige Leute, daß die Tänzerin noch nicht zurückgekehrt war. Man schaute nach und fand nicht Sayana, sondern einen blauen Klumpen, der einmal ein Mensch gewesen war.
Scheußlich.
Aber warum gerade dieses Mädchen? Über diese Frage dachte ich nach, während Suko die Tote genauer untersuchte. War es vielleicht ein Zufall gewesen, daß es ausgerechnet sie erwischt hatte? Daran wollte ich eigentlich nicht glauben. Es gibt ja ungemein viele Zufälle im Leben.
Sie treten öfter auf, als man denkt, aber bei Aktivitäten dämonischer Wesen glaubte ich nicht an Zufälle. Und daß hier bei diesem Mord unnatürliche Dinge mit im Spiel gewesen waren, davon war ich fest überzeugt, und das konnte mir keiner widerlegen.
Was also tun?
Ich schaute auf Sukos Finger. Die Spitzen glitten über den Körper, und sie drangen auch ein.
»Ist die Masse sehr weich?« fragte ich.
Mein Partner nickte. »Ja. Ich würde sie fast mit einem Ghoul vergleichen.«
»Aber es steckt keine Lebensenergie in ihr, oder siehst du das anders?«
»Nein, sie ist tot.«
Es lag auf der Hand, daß dieser Fall an uns ging. Ich wußte auch schon, wie wir unsere Nachforschungen beginnen würden. Da die Tänzerin nicht ohne Motiv ermordet worden war, mußten wir in ihrem Leben und ihrer Vergangenheit herumsuchen. Vielleicht entdeckten wir da einen Hinweis.
Und noch etwas kam hinzu. Der Chef der Mordkommission hatte es mir zugeflüstert. Dieser dreckige Pornoladen gehörte offiziell einem Engländer, doch hinter ihm stand ein ganz anderer. Jemand, der eine Organisation befehligte.
Logan Costello, der Mafioso!
Von ihm wußten wir natürlich einiges. Er hatte mit der Mordliga paktiert, gehörte zu den Günstlingen der Hölle, und ich hätte wer weiß was darum gegeben, ihm endlich das Handwerk legen zu können. Leider war uns dies bisher nicht gelungen.
Suko kam wieder hoch. Auf seinem Gesicht las ich die Ratlosigkeit.
»Hast du einen Verdacht?«
Er leistete sich ein schmales Lächeln. »Ich weiß nicht so recht. Vielleicht können uns die Chemiker oder die Biologen mehr darüber sagen, wenn sie den Gegenstand untersuchen.«
Gegenstand war die richtige Bezeichnung. Einen Menschen hatten wir hier nicht vorliegen. Man konnte beinahe an eine Materieumwandlung denken.
Es hätte keinen Sinn gehabt, sich noch lange hier aufhalten zu wollen, deshalb verließen wir die Box. Man hatte den Showbetrieb natürlich eingestellt, dennoch hatten sich zahlreiche Menschen vor dem Haus versammelt. In Windeseile mußte es sich herumgesprochen haben, was hier passiert war.
Gern hätte ich mich mit dem eingesetzten Chef des Ladens unterhalten, der allerdings war nicht greifbar. Rechtzeitig genug hatte er sich aus dem Staub gemacht. Wahrscheinlich informierte er im Moment seinen großen Gönner Costello.
So mußten wir uns an den Aufpasser halten, der auf den schönen Namen Sugar hörte.
Mit seinen Mädchen zusammen hockte er im Aufenthaltsraum. Die Girls hatten sich etwas übergezogen, und Sugar sah aus wie ein Schläger aus der finstersten Hafengegend. Massige Schultern, gewaltige Muskeln, die das Streifenhemd fast zu sprengen drohten. Seine weiße Hose zeigte ebensolche Flecken wie der Hemdkragen, und das schwarze Haar glänzte ölig.
Als Suko und ich den Raum betraten, wandten sich uns die Blicke der Anwesenden zu. Der Inspektor schaute auf den hockenden Sugar und machte ihm mit einer Handbewegung klar, daß er
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