0282 - Amoklauf der Amazone
Zeltes. Die Bedeutung war klar. In Tinas Augen traten zwei dicke Tränen, als sie mit schwankendem Gang dorthin ging.
»Vielleicht wirst du es irgendwann einmal, verstehen!« sagte Achilles leise. »Doch mein großes Geheimnis darf nicht offenbar werden!«
Das Mädchen aus der Zukunft raffte die wenigen Kleidungsstücke zusammen und verhüllte sich notdürftig, bevor es aus dem Zelt trat.
Zwei stechende Augen beobachteten neugierig, wie Tina Berner fast unbekleidet das Zelt des Achilles verließ…
***
»Wenn du uns hilfst, Glauke, dann verspreche ich dir die Freiheit!« sagte Carsten Möbius. »Du wirst als Flüchtige nach Troja gehen. Man wird dich einlassen, und in der nächsten Nacht wirst du uns ein Seil über die Mauer werfen, daß wir dort eindringen können. Dann werden Zamorra und ich unseren Freund befreien und… !«
»Aber wenn ich in Troja bin, dann bin ich doch frei!« wunderte sich die Amazone. »Warum soll ich euch dann helfen, in die Stadt zu kommen?«
»Vielleicht aus Gründen der Dankbarkeit?« fragte Professor Zamorra.
»Einem Mann gegenüber kennen wir Amazonen keine Dankbarkeit!« erklärte Glauke eisig.
»Vielleicht aus Liebe?« zweifelte Carsten Möbius. Glauke sah ihn fragend an.
»Liebe zu wem?« kam es von ihren Lippen. »Doch nicht etwa zu dir. Du bist doch ein Mann. Eine Amazone, die sich in einen Mann verliebt, verliert die Bindung zu ihrem Volk. Sie wird ausgestoßen. Wenn sie die Probe der Weißen Seide nicht mehr besteht, die Penthesilea zu jeder Zeit fordern kann, dann wird ihr Bogen zersplittert, Dolch und Schwert zerbrochen, und man wendet sich von ihr ab. Denn dann ist offenbar, daß sie keine Kämpferin mehr ist, sondern nur noch dazu taugt, einem Mann zu dienen!«
»Die Probe der Weißen Seide?« fragte Professor Zamorra verständnislos. Doch in die Züge von Carsten Möbius trat plötzlich ein harter Zug.
»Dann werde ich dafür sorgen, daß du die nächste Probe nicht mehr bestehst!« knurrte er. »Das Leben meines Freundes ist in Gefahr. Und du bist meine Sklavin, die zu gehorchen hat!«
Professor Zamorra stockte der Atem. So kannte er den sonst so sanften Carsten Möbius nicht. Mit einer Gewandtheit, die der Parapsychologe nie vorher bei ihm gesehen hatte, sprang er die Amazone an und warf sie herum. Glauke kreischte auf, als er ihr mit ihrem eigenen Gürtel die Hände auf dem Rücken fesselte.
»Ich habe langsam festgestellt, daß die körperliche Fitneß die beste Lebensversicherung ist, wenn man sich öfter in deiner Nähe aufhält, Zamorra!« erklärte der Junge mit den langen Haaren in deutscher Sprache, die von der zappelnden Amazone nicht verstanden wurde.
»Ich dulde nicht, daß du dem Mädchen etwas gegen ihren Willen tust!« warnte Zamorra. »Bei aller Freundschaft - das geht zu weit!«
»Ich liebe sie, und ich tue mir selbst weh, indem ich sie hart anfasse!« erklärte Möbius. »Doch sie ist unsere einzige Chance, nach Troja einzudringen. Deshalb werde ich ihr jetzt einen Schrecken versetzen müssen, daß sie bei ihren Göttern schwört, unsere Befehle auszuführen, auch wenn sie in Troja in Sicherheit ist!«
»Dann laß sie beim Styx, dem Fluß der Unterwelt, schwören!« riet der Meister des Übersinnlichen. »Das ist der höchste Schwur, den die Griechen in dieser Zeit kannten und der normalerweise von den Göttern selbst geschworen wurde.«
»Wage es nicht, mich anzurühren!« funkelte ihn Glauke an. »Ich werde schreien… Ganz laut schreien… !«
»Viele haben am heutigen Tag geschrien!« sagte Carsten Möbius mit einem dünnen Grinsen. »Keine der Amazonen wird noch die Prüfung der Weißen Seide bestehen. Aber vielleicht sind die Mädchen nicht einmal unglücklich darüber!«
»Penthesilea wird uns grausam rächen!« versprach Glauke.
»Vielleicht fällt auch sie unter das Gesetz, wenn sie einer der Fürsten Griechenlands lebendig zu fassen bekommt!« lachte Möbius trocken. »Dem Agamemnon wäre es sicher ein ganz besonderes Vergnügen, so über eine gegnerische Königin zu triumphieren. Und nun zeige ich dir, was Agamemnon mit deiner Königin machen würde. Vielleicht gefällt es dir sogar…!«
Carsten Möbius mußte seine ganze innere Kraft aufwenden, weiterhin den harten, gnadenlosen Mann darzustellen, während er die Angst in den Augen des Mädchens flackern sah. Glauke war von ihm die ganze Zeit mit liebevoller Sorgfalt behandelt worden und hatte das als Schwäche ausgelegt. Entsprechend arrogant hatte sie sich
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