0282 - Amoklauf der Amazone
war. Der Junge versuchte, mit der Bronzeklinge die Handfessel zu öffnen.
Rote Funken sprühten auf, als Metall auf Metall traf. Und dann brachen die Schwerter in mehrere Stücke.
»Das ist leider keine deutsche Wertarbeit!« In Michael Ullichs Stimme schwang Verzweiflung. Er wußte, daß sie keine Chance hatten. In diesen Momenten hatte er immer eine besondere Art von Galgenhumor.
»Nur ein einziges Schwert kann diesen Stahl durchtrennen!« sagte Sandra Jamis. »Der Balmung, das Nibelungenschwert. Doch diese Klinge hat Professor Zamorra!«
»Und wo ist er?« fragte der blonde Junge ungeduldig. »Etwa zu einer Party bei Priamos gegangen?«
»Wir sind außerhalb der Stadt gelandet, Micha!« erklärte Sandra. »Widrige Umstände haben uns getrennt. Ich bin mit einigen Amazonen nach Troja hineingekommen. Zamorra ist sicher im Lager der Griechen!«
»Und was schlägst du vor?« fragte Michael.
»Ich werde ins Lager der Griechen gehen und…!« sagte Sandra Jamis. Doch eine Stimme unterbrach sie mit einem harten Klang.
»Ja, das wirst du ganz sicherlich! Und zwar an meiner und Atalantes Seite!« war eine klirrende Frauenstimme zu vernehmen. Zornbebend stand Penthesilea im Türrahmen. An ihrer Seite schwankte Prinz Paris, auf dessen Stirn sich eine mächtige Beule wölbte. Atalante, die Kriegerin, hatte einen Bogen gespannt, und der Pfeil zielte genau in Richtung auf Sandra Jamis.
»Wenn du eine Bewegung machst, um den Dolch zu ziehen, erwachst du im Hades!« knirschte Atalantes Stimme. »Du bist also eine Griechin und wolltest deinen Geliebten befreien, nicht wahr? — Halt! - Widerrede nicht!«
»Wir kennen uns schon sehr viele Jahre und…!« versuchte Sandra einzulenken, während sich zwei andere Amazonen an Penthesilea vorbeidrängten, das Girl ergriffen und ihm die Hände auf dem Rücken zusammenschnürten. Sandra Jamis verzog schmerzhaft das Gesicht, als sich die Riemen in ihre Handgelenke gruben, doch sie unterdrückte das Verlangen, ihren Schmerz zu zeigen.
»Sie ist dem Tode verfallen«, stieß Paris haßerfüllt hervor. »Ich bin nicht nur Prinz von Troja, sondern auch einer der oberen Priester, aus dessen Hand die Götter die Opfer annehmen.«
Er ergriff das Heft des Dolches, den Sandra noch am Gürtel trug, und zog ihn langsam heraus. Dann setzte er die nadelfeine Spitze auf Sandras Körper und drückte leicht dagegen. Stöhnend versuchte das Girl, nach hinten auszuweichen, während die Amazonen alles mit steinernen Mienen betrachteten.
»Schafft sie in den Tempel der Todesgöttin Hekate!« befahl Paris. »Sie wird sehr lange schreien, bevor ihre Seele zum Hades hinabfährt!«
Sandra Jamis stieß einen erstickten Angstschrei aus…
***
Tina Berner verstand die Welt nicht mehr. Sie lag neben Achilles, dem Geliebten, auf dem Lager, doch er näherte sich ihr nicht. Nur von Patroklos erzählte er unaufhörlich.
»… ich werde dir seinen Grabhügel zeigen!« sagte er. »Morgen in aller Frühe werden wir dorthin fahren. Auch mein Freund Ajax wird dabeisein, wenn wir des Toten gedenken. Dann wird mein Herz wieder voll Rache an den Trojanern sein, und ich werde wieder kämpfen und töten können!«
»Gibt es denn nichts anderes, an was man in einer solchen Nacht denken kann, als die Schlacht und die Toten?« fragte Tina Berner verständnislos. Sie streifte die wenigen Tücher, die sie noch um den Leib trug, gänzlich ab und bot sich dem Achilles in all ihrer Schönheit dar.
»Gibt es außer dem Krieg und dem Haß nicht noch andere Dinge, über die man in einer solchen Nacht reden könnte?« gurrte Tina und drehte ihren Körper, der im Schein der leise blakenden Öllampe wie die Verführung selbst wirkte. Nicht einmal Aphrodite, die Göttin der Liebe, hätte erregender wirken können.
»Für mich nicht!« sagte Achilles leise. »Die Tage des Lachens sind dahingegangen, seit mein geliebter Patroklos in den Staub von Troja dahinsank. Mir bleibt nur noch das Gedenken an ihn - und das Vergessen in der Raserei des Kampfes.«
»Berühre mich. Fühle mich!« lockte Tina. »Dann wirst du vergessen. Komm, Geliebter. Presse dich dicht an mich!«
Doch in diesem Augenblick fühlte sich Tina Berner zurückgestoßen. Zornbebend fuhr Achilles auf.
»Nie wieder werde ich einen Menschen umarmen!« fauchte das Mädchen, das Achilles war. »Nur Patroklos, meinem Geliebten, gab ich dieses Recht. Nach ihm darf mich nur der Tod noch umfangen!«
Gebieterisch wies Achilles mit der rechten Hand auf den Ausgang des
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