0285 - In den Tiefen von Loch Ness
Begriff war, seine Druidenkraft einzusetzen. Zamorra wollte etwas sagen, verstummte dann aber, als er selbst Gryfs telepathische Schwingungen aufnahm. Gryf las jetzt doch in den Gedanken des anderen, nahm keine Rücksicht mehr!
Und er wurde fast so blaß wie MacRaven.
»Was zum Teufel…«, begann Nicole. Da wich Gryf vor Sir Glenn zurück. »Ungeheuer«, keuchte er. »Sie Ungeheuer… Sie Mörderbestie! Und das haben sie gewußt und es dennoch getan?«
Stumm nickte Sir Glenn. Er senkte den Kopf und erwiderte nichts auf Gryfs grimmigen Vorwurf.
»Was denn nun?«, fragte Zamorra.
Gryfs Hand berührte seine Schläfe. »Er hat… Er hat Nessys Kind getötet…«
»Was?« schrie Nicole auf. Zamorra hob die Brauen.
Da sprang Sir Glenn hoch. »Ja«, keuchte er. »Ja, ich habe diese Kreatur getötet… Damals, vor so vielen Jahren… habe ich sie erschlagen, damit die Brut sich nicht mehr vermehren konnte…«
Stille trat ein, nur unterbrochen von dem Dröhnen, das von draußen kam, bis Nicole endlich das Schweigen brach.
»Berichten Sie, Sir Glenn«, verlangte sie, und ihre Stimme klang wie klirrendes Eis. Sie waren alle drei entsetzt, weil sie doch von Gryfs Erzählung her wußten, was es mit dem Ungeheuer Nessy auf sich hatte.
»Ja… damals…«, murmelte Sir Glenn. Er atmete tief durch. »Ich wußte von Anfang an, daß es das Ungeheuer gibt. Schon lange, bevor die ersten Fotos durch die Presse geisterten. Ich habe es mehrfach gesehen. Und eines Tages… fand ich das Ei. Ein riesiges Gebilde, warm und pulsierend im flachen Wasser nahe dem Ufer. Es war das Ei dieser riesigen Kreatur. Ich wußte es. Und ich wußte auch, daß Nessy, wie Sie es nennen, denken konnte. Es hatte mir mehrere Beispiele für seine hohe Intelligenz gegeben. Und mir wurde angst und bange. Schon eines dieser Wesen ist gefährlich. Zwei von der Sorte dagegen… Loch Ness würde nicht mehr sicher sein. Niemand würde sich mehr gefahrlos auf das Wasser hinaustrauen können. Denn diese Wesen beanspruchen alles Wasser für sich allein. Und so zerstörte ich das Ei.«
Zamorra sog scharf die Luft ein.
»Das sind doch verdammt fadenscheinige Begründungen«, stieß er hervor. »Wenn Ihnen Nessy zeigte, daß sie intelligent ist, dann war das doch der Versuch zur Zusammenarbeit, zur Freundschaft…«
»Freundschaft mit so einer riesigen Bestie? Wenn sie zuschnappt, verschwindet ein ganzes Ruderboot in ihrem Rachen…«
»Sie schnappt aber nicht zu. Normalerweise wenigstens nicht«, sagte Gryf scharf. »Denn sonst hätte ich es kaum geschafft, mir einst ihre Freundschaft zu sichern. Und Sie Narr schlugen einfach ohne zu überlegen alles kurz und klein… töten ein Wesen, das so gern gelebt hätte an der Seite seiner Mutter… Und jetzt wundern Sie sich, daß Nessy kommt und Ihnen an den Kragen will, Sie Scheusal? Sie sind das Ungeheuer, nicht Nessy.«
»Ja«, ächzte Sir Glenn. »Scheusal und Ungeheuer… Genau so nannte mich dieses Wesen damals auch… Es konnte mich nicht erreichen, aber es verfluchte mich, und jedes Wort brannte sich tief in mein Gedächtnis ein. Das Ungeheuer… Nessy… sprach und verfluchte mich mit der Macht seines Geistes… Verfluchte mich, ruhelos zu leben, immer um meine Sicherheit besorgt zu sein… Und doch niemals völlig sicher sein zu können… Und eines Tages werde es kommen und Rache nehmen. Zamorra - Gryf - da draußen ist es, das Ungeheuer! Es will mich!«
Nicole wandte sich um.
»Sie verdammter Narr«, murmelte Gryf. »Warum haben Sie das damals getan? Nessy ist empfindsam und hochintelligent, ein treuer Kamerad und auch ein glühender Hasser. Wissen Sie, daß Nessy älter sein muß als ich? Und wissen Sie auch, daß Wesen ihrer Art nur alle paar tausend Jahre einmal ein Ei legen können? Nessy verlor ihr erstes Ei einst durch einen Unfall. Eine Höhle stürzte ein. Dies wäre vielleicht ihre zweite Chance gewesen… Und da gehen Sie Bluthund daher und zerstören dieses zweite Ei…«
»Es ändert doch jetzt nichts mehr«, stöhnte Sir Glenn.
»Sie wußten es«, schrie Gryf da auf, der wieder in Glenns Gedanken gelesen hatte. »Verdammt, Sie haben es gewußt, weil Nessy es Ihnen in einer Vision zeigte… und trotzdem haben Sie es getan? MacRaven, ich kann Sie nur noch verachten.«
»Ich sah eine Bestie, und ich sah eine zweite in der Zukunft vor mir, und damals war ich noch jung, glaubte Heldentaten vollbringen zu können… Wie Siegfried, der den Drachen erschlug… Das hier war mein Drache… und
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