0285 - In den Tiefen von Loch Ness
Nessy die Bewegung rechts und links von sich. Da stürmten sie heran, die Knochenmänner. Nessy hatte mit ihnen gerechnet. Ihr war klar, daß Leonardo es nicht so einfach hinnehmen würde, daß sie sich aus seinem Bann befreit hatte.
Die Knochenmänner griffen an, mit Schwertern und Streitäxten, mit Lanzen und Dolchen. Von allen Seiten kamen sie, und so winzig sie im Vergleich zu dem Ungeheuer aus dem See auch waren, so gefährlich waren sie trotzdem, und das nicht nur durch ihre Vielzahl. Es war ihre erstaunliche Kraft, die Nessy zu schaffen machte. Das Aussehen der klapperigen Gerippe, umhüllt von schlotternden, stinkenden Lumpen, täuschte über ihre wahre Kraft hinweg.
Und Nessy war zwar außerordentlich langlebig, aber nicht unverwundbar. Mit den scharfen Klingen konnten Leonardos Skelett-Krieger sie durchaus verletzen. Schon zeigten sich die ersten Risse in Nessys Schuppenhaut. Grünliches, stinkendes Blut rann aus den Wunden.
Das Ungeheuer riß den Rachen auf und spie eine Flammenwolke aus. Der Schwanz kreiste herum und wischte ein Dutzend der Knochenmänner zur Seite. Aber sie rafften sich sofort wieder auf und griffen erneut an. Nessy versuchte sie zu zertrampeln, aber ihr massiger Körper war zu schwerfällig und die Knochenkrieger zu flink.
Wieder spie sie Feuer. Aber auch den Flammenwolken wichen die Skelett-Krieger aus. Nessy begriff, daß Leonardo deMontagne über eine äußerst gefährliche und kampfstarke Armee verfügte. Und mit wachsendem Entsetzen bemerkte Nessy, daß die Skelett-Krieger ihr überlegen waren.
Einen, zwei oder drei mochte sie verbrennen oder zerstampfen. Doch die anderen wichen immer wieder geschickt aus. Es war ein ungleicher Kampf.
In Nessy begann es dumpf zu pochen. Sollte denn Glenn MacRaven seiner Rache entgehen? Ursprünglich hatte ein Knochenwesen ihn Nessy zuführen sollen, da die Burgmauer nicht beschädigt werden durfte. Durch Sir Glenns Blut wollte Leonardo die Höllennähe dieses Ortes festigen und stärken, nur deshalb hatte er Nessy die Rache erlaubt. Wenn Sir Glenns Seele zur Hölle fuhr, entstand eine intensive Verbindung, und darauf legte der Montagne wert. Aber jetzt, da Nessy sich von ihm befreit hatte, würde alles anders verlaufen. Das Seegeschöpf durfte sich nicht mehr darauf verlassen, daß Sir Glenn nach draußen gebracht wurde. Im Gegenteil. Leonardos Skelett-Krieger kämpften ja gegen Nessy. Und sie würden erst recht nicht zulassen, daß Nessy mit Gewalt eindrang und dabei die Mauer beschädigte. Denn Leonardo wollte ja eine intakte Burg als neuen Stützpunkt übernehmen…
Gryf, so hilf mir doch endlich! Erkennst du nicht, was geschieht? Warum unterstützt du mich nicht?
Gryf, alter Freund, hilf mir!
Aber nahm Gryf ap Llandrysgryf Nessys Gedankenschrei überhaupt wahr?
***
Jemand klopfte laut gegen die Tür und öffnete sie, ohne die Aufforderung abzuwarten. Zamorra fuhr herum und sah in das totenblasse Gesicht von Sir Glenn. Der Burgherr zitterte leicht.
»Monsieur Zamorra, helfen Sie mir«, keuchte er.
Zamorra nahm das Amulett von der Tischplatte. »Ich bin doch schon seit Stunden dabei«, sagte er.
»Sie müssen mich schützen«, ächzte Sir Glenn. »Das Ungeheuer… es ist da, und es will mich. Mich! Es will mich töten!«
Gryf hob die Schultern. »Ausgerechnet Sie, ja? Wer soll das denn glauben?«
»Aber es ist so«, stöhnte Sir Glenn. »Ich - ich habe Angst. Das Ungeheuer ist gekommen, um mich zu ermorden.«
»Ich könnte mir für Nessys Auftauchen zwei halbe Dutzend bessere Gründe vorstellen«, wehrte Gryf wieder ab.
»Warum, Sir Glenn?«, fragte Zamorra. »Warum glauben Sie, daß Nessy ausgerechnet hinter Ihnen her ist?«
»Ich glaube es nicht, ich weiß es«, murmelte MacRaven. »Ein alter Fluch… Ich bin verloren. Helfen Sie mir…«
Die drei Gefährten sahen sich an. »Diese verdammten Andeutungen«, brauste Grÿf auf. »Dann mal ’raus mit der Sprache, Sir Glenn! Ihre Tochter wollte nicht darüber reden, Ihr Sohn hüllt sich in Schweigen, Sie selbst spielen den Geheimnisvollen… Was zum Teufel wird hier also gespielt?«
»Ich kann es nicht sagen«, murmelte Sir Glenn und sank auf einen Stuhl. Von draußen kamen wieder dumpfe Schläge.
Zamorra rechnete damit, daß in Kürze wieder das gesamte Castle auf den Beinen war. Bei diesem Chaos konnte doch keiner schlafen.
Gryf rüttelte den Burgherrn. »Los, reden Sie«, verlangte er, und seine Augen begannen schockgrün zu leuchten, deutliches Zeichen dafür, daß er im
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