0287 - Herrscher über tausend Geister
Zamorra und sah bedauernd zu, wie sie in unschuldiger Nacktheit aus dem Zimmer huschte, um sich in ihrem eigenen Quartier anzukleiden. Das kann noch eine halbe Stunde wenigstens dauern, dachte Zamorra, erhob sich jetzt auch und stieg in seine Kleidung. Kurz darauf klopfte er bei Nicole an und trat ein.
Sie stand vor dem Spiegel und zupfte an einem ledernen Fransenhemd, das gerade lang genug war, das Nötigste zu verdecken, dazu weiche, hochhackige Cowboystiefel. Zamorra pfiff durch die Zähne. Das Hemd im indianischen Stil war seitlich geöffnet und wurde nur durch überkreuzte Lederbänder zusammengehalten. Es gewährte aufregende Einblicke und verriet Zamorra, daß seine schöne Gefährtin kaum mehr als einen winzigen Tanga darunter trug. Gerade holte sie einen weißen Stetson aus dem Schrank und drückte ihn sich aufs Haupt. »Fertig«, sagte sie.
»Fertig? Mademoiselle belieben zu scherzen. Jugendgefährdend bist du. Aber süß. Willst du wirklich so bleiben? Es wird einen Massenandrang an der Kinokasse geben.«
Nicole lächelte. »Ich bin heute Indianerin«, erklärte sie. »Wenn man sich einen klassischen Western ansieht, sollte man sich auch entsprechend kleiden, um den Film zu würdigen.«
»Ich habe noch nie eine blonde Indianerin gesehen«, sagte Zamorra trocken.
»Aber ich bin zu faul, die schwarze Perücke zu suchen«, bekannte Nicole.
»Du siehst noch zu zivil aus. Du solltest dich auch schön machen.«
Sie umarmte ihn wieder und drückte ihm einen Kuß auf die Wange. »Es wird Zeit, cherie.«
Zamorra seufzte. Er sah Nicole an, seufzte erneut angesichts ihrer mehr als verführerischen Aufmachung, und fahndete dann in seinem Zimmer nach Stiefeln und dem hellen Stetson, den er einmal in einem Anflug von Leichtsinn bei einem USA-Aufenthalt für teures Geld erstanden hatte. Immerhin paßte das Ding zu seinem weißen Anzug. »Ich sehe aus wie J.R. Ewing«, stellte er kopfschüttelnd fest.
»Das fiese Grinsen und das meckernde Lachen fehlt dir noch«, bemängelte Nicole.
»Soll ich’s lernen? Das geht ziemlich schnell, Schatz. He-he-he.«
»Die Ähnlichkeit wird immer verblüffender«, erklärte Nicole.
»Sag mal, willst du wirklich so losziehen? Der Abend wird möglicherweise ein wenig kühl.«
»Du wirst mich schon wärmen«, hoffte sie und drängte sich wieder an ihn. Seine Finger schlüpften zwischen den Lederschnüren hindurch und glitten streichelnd über Nicoles Haut. Zamorra seufzte. Er ahnte, daß er von der Filmhandlung nicht allzuviel mitbekommen würde, wenn diese personifizierte Sünde neben ihm saß. Und wahrscheinlich würde er sich mit einem Haufen wilder Räuber duellieren müssen, wenn er Nicole unangefochten wieder mit heim bringen wollte.
»Okay, starten wir. Da wir jetzt Ewings sind, nehmen wir den Mercedes«, bestimmte er. »Das ist stilechter.«
Nicole nickte nur.
Wenig später waren sie mit dem silbergrauen Wagen unterwegs, die Serpentinenstraße hinunter zur Talsohle, um entlang der breit ausgebauten Straße entlang der Loire nach Feurs zu fahren.
Die Falle wartete schon auf sie.
***
»Leonardo de Montagne!« keuchte Churk, der Dämon. »Du bist der, den die Hölle ausspie nach fast tausend Jahren?«
»Eben jener«, versicherte Leonardo. Er trug schwarze Lederkleidung und einen wehenden dunklen Mantel, jetzt trat er aus dem flammenden Pentagramm heraus, mit dessen Hilfe er sich in Churks Unterschlupf selbst eingeladen hatte.
»Man raunt sich in den Kreisen der Schwarzen Familie zu, Zamorra habe dich besiegt«, ächzte Churk und rieb sich die bräunliche Schuppenhaut.
Das Glühen ließ nach.
»Oh, weil ich mich aus der Welt der Menschen in eine andere Dimension zurückgezogen habe?« Leonardo lachte böse. »Diese andere Dimension hat viele Vorteile. Sie stärkt meine Kraft und ermöglicht mir kleine Tricks wie diesen hier.« Er deutete auf das Pentagramm. »Ein künstliches Weltentor, wie du siehst.«
»Und was willst du von mir?« fragte Churk erbost. »Du störst meine Ruhe und meine Experimente.«
»Eben deshalb bin ich hier«, sagte Leonardo. »Du wirst mir dienstbar sein.«
»Niemals. Du bist ein Mensch, wenn auch ein Emporkömmling in den höllischen Heerscharen und Asmodis’ Günstling. Ich aber bin ein Dämon und stehe deshalb weit über dir.«
»Da sei mal nicht so sicher«, knurrte Leonardo. »Immerhin erwartet Asmodis von mir, daß ich das schaffe, woran die ganze Hölle scheiterte – Zamorra zu beseitigen. Und genau das werde ich tun.« Ein
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