029 - Der tätowierte Tod
erfahren.«
»Nicht von mir«, sagte Borowitkin abweisend und griff nach seinem Koffer. »Für mich wird es Zeit …«
Dorian begleitete ihn zum Ausgang, um wenigstens noch einige Informationen aus ihm herauszulocken. »Hat man denn eine Ahnung, was mit Samjatin passierte? Hat man Anhaltspunkte dafür, daß er tot ist? Oder besteht die Möglichkeit, daß er noch lebt?«
»Ich will nichts mehr davon wissen«, sagte der Archäologe entschieden und deutete mit dem Kopf zur Eingangstür. »Da kommen Ihre Freunde. Sollen die Ihnen Auskunft geben.«
Dorian war dem Blick Borowitkins gefolgt. Suslikow und Petrow betraten soeben die Hotelhalle. Dorian blieb stehen und merkte nicht einmal, wie Borowitkin mit den anderen Archäologen das Hotel verließ. Er starrte den beiden Agenten nach, die zur Rezeption gingen, wortlos die Zimmerschlüssel entgegennahmen und sich dann dem Aufzug zuwandten. Sie erschienen Dorian irgendwie fremd. Ihre Gesichter waren ausdruckslos und maskenhaft starr.
Dorian schnitt ihnen den Weg ab und erreichte sie wenige Schritte vor dem Aufzug. »Hallo, Suslikow!« sagte er im Plauderton. »War der Abstecher ins Hauptquartier aufschlußreich? Ich nehme an, man wird Ihnen ordentlich eingeheizt haben, weil Sie nicht besser auf mich aufgepaßt haben.«
Suslikow blieb stehen und taxierte Dorian. »Wer sind Sie? Sollte ich Sie kennen?«
Dorian brachte vor Überraschung kein Wort hervor. Als Suslikow keine Antwort erhielt, hob er nur die Schultern und stieg zusammen mit Petrow in den Aufzug. Der Dämonenkiller starrte noch lange auf die Aufzugstür, die sich hinter den beiden geschlossen hatte. Was sollte er nun davon wieder halten? Hatten die beiden Anweisung bekommen, ihn einfach fallenzulassen?
Selbst wenn es so war – Dorian hatte ohnehin keine Lust mehr, den Prügelknaben zu spielen. Er wußte jetzt, daß Kiwibin ihn hereingelegt hatte. Er hatte keine Ahnung, warum er die Identität des Verschollenen hatte annehmen müssen; und im Grunde war es ihm auch egal. Kiwibin und der ganze Geheimdienst konnten ihm gestohlen bleiben. Jetzt würde er die Initiative ergreifen. Er würde sofort die Jugendstilvilla in London anrufen und Unterstützung anfordern.
Er ließ eine Verbindung herstellen und ging in die vom Portier zugewiesene Kabine. Trotz der Störgeräusche erkannte er die quengelnde Stimme von Miß Martha Pickford, die den Haushalt in der Jugendstilvilla führte.
»Wer ist denn dort? Eine Frechheit, zu so nachtschlafener Zeit anzurufen! Wenn das ein Scherz sein …«
»Hier spricht Dorian«, meldete sich der Dämonenkiller. »Und mir ist ganz bestimmt nicht zum Scherzen zumute, Miß Pickford.«
Eine kurze Pause, dann Miß Pickfords ungläubige Stimme: »Mr. Hunter?«
»Allerdings. Und ich …«
»Was machen Sie in Istanbul? Oder sind Sie nur betrunken und rufen in Wirklichkeit von einer Kneipe in der Nähe an? Wo haben Sie denn die ganze Zeit über gesteckt? Wissen Sie denn, daß Sie seit nahezu zwei Wochen nichts mehr von sich hören ließen?«
»Ich bin tatsächlich in Istanbul«, unterbrach Dorian ihren Redeschwall, »und ich hätte mich bestimmt schon früher gemeldet, wenn ich die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Hören Sie zu nörgeln auf und versuchen Sie, sich auf das Wesentliche zu beschränken.«
»Sie haben Nerven, Mr. Hunter«, keifte sie wieder los. »Lassen zwei Wochen nichts von sich hören. Verschwinden, ohne eine Nachricht zu hinterlassen, wo Sie sind. Und dann rufen Sie um diese Zeit an und verlangen, daß ich so tue, als sei nichts geschehen. Ja, wissen Sie denn, wie spät es jetzt ist?«
»In London elf Uhr nachts – und bei mir sogar zwei Stunden später«, antwortete er ergeben.
»Na, wußte ich es doch, daß Sie betrunken sind.«
»Ist zu Hause alles in Ordnung?« fragte Dorian ruhig. »Kommen Sie mit Phillip klar? Und wie geht es Trevor Sullivan? Hat Coco etwas von sich hören lassen?«
Damit nahm er ihr den Wind aus den Segeln. »Ich komme hier schon zurecht«, hörte er Miß Pickford sagen, nachdem er ihren tiefen Klageseufzer vernommen hatte. »Von Trevor Sullivan wissen wir nichts Neues. Er ist sehr krank, aber das werden Sie vermutlich schon erfahren haben. Cohen war beim Secret Service, aber die wollen ihm nichts über den Zustand des O. I. sagen – ja, nicht einmal, in welche Klinik er eingeliefert wurde.
Aber selbst wenn er genesen ist, war er die längste Zeit Observator Inquisitor. Cohen sagte, es sei sicher, daß der Secret Service die
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