0290 - Die dritte Mahnung war aus Blei
elektrischen Stuhl bringen.«
***
Ich wollte sofort hinterher. Aber dann sagte ich mir, dass Margret Martin außer Gefahr sei und dass ich bei der karierten Reisetasche bleiben musste, wenn ich den Erpresser schnappen wollte.
Mit zwei Schritten war ich an der Abteiltür, durch die die junge Frau vor wenigen Augenblicken gekommen war. Mit einem schnellen Blick überzeugte ich mich, dass die karierte Tasche noch immer an ihrem Platz im Gepäcknetz war.
Ich fragte mich nur, wie die Geschichte jetzt wohl weitergehen sollte.
Vor allem der Priester machte mir Sorge. Er saß da und hatte wieder das kleine Buch in der Hand, in dem ich ihn schon auf dem Bahnsteig hatte lesen sehen. Er bemerkte mich nicht einmal. Beim Lesen bewegte er die Lippen.
Ich drehte mich um und zog das Fenster auf, Margret Martin ging unter mir vorbei auf den Ausgang zu. Es waren nur wenige Menschen hier auf der Station Canal Street ausgestiegen, und keiner war darunter, der mir verdächtig vorkam.
Der Zug zog langsam an und wurde dann immer schneller. Nach wenigen Augenblicken hatten wir die Station verlassen, und dicht vor dem Fenster flog die roh behauene Wand des Tunnels an mir vorbei. Ich fragte mich, ob ich den Geistlichen von der Gefahr, in der er schwebte, unterrichten sollte. Vielleicht wäre es ratsam, ihm zu sagen, dass er ein anderes Abteil nehmen sollte.
Aber dann ließ ich es. Ich wusste nicht, wie sich der Mann in der schwarzen Soutane verhalten würde. Es konnte sein, dass er die Gangster oder den Gangster ungewollt warnen würde. Ich beschloss, das Abteil genau zu beobachten. Sollte sich jemand nähern, konnte ich immer noch rechtzeitig eingreifen, und ich hatte dem Gangster dann immer noch die Überraschung voraus.
Ich machte mich weiter an meine Arbeit und dachte im Stillen daran, den BMT-Lines eine saftige Rechnung für Reinigungsarbeiten zuzusenden.
Das Geräusch einer auf gerissenen Tür ließ mich herumfahren. Es war der Mann, der schon einmal den Gang betreten hatte. Die Zeitung hatte er jetzt zusammengefaltet unter seinem Arm. In seinem Mundwinkel hing eine Zigarette.
Unschlüssig blieb er einen Augenblick stehen. Dann kam er den Gang herauf. Ich bückte mich nach meinem Eimer und tastete nach meiner Automatic.
Der Mann blieb vor dem Abteil, in dem der Geistliche saß, stehen. Unschlüssig legte er die Hand auf den Griff.
Hatte er nach der Reisetasche geschielt, oder war es nur eine Einbildung von mir?
Ich beschäftigte mich mit dem Haltegriff, der höchstens zehn Yards von ihm entfernt an der einen Seite der Wand befestigt war. Von hier konnte ich jeden Augenblick rechtzeitig eingreifen.
Der Mann riss an dem Griff und schob die Tür des Abteils auf. Ich spannte alle Muskeln meines Körpers an, um mich vom Boden abschnellen zu können.
»Entschuldigen Sie«, sagte der Mann mit einer öligen Stimme. »Hätten Sie vielleicht ein Streichholz für mich? Mein Feuerzeug ist in den Streik getreten.«
»Wie bitte?«, hörte ich die zerstreute Antwort des Geistlichen. »Ach so. Ja, sicher. Ich habe immer Streichhölzer in der Tasche, obwohl ich diesem Laster nicht fröhne. Na, wo sind sie denn? Ich weiß doch genau, dass ich welche eingesteckt hatte.«
Ich hörte das Rascheln von Kleidung und konnte, da der Mann mit seinem Rücken mir nicht die ganze Sicht versperrte, deutlich sehen, wie der Geistliche unter seiner Soutane kramte und schließlich aufstand.
Triumphierend zog er dann die Hand wieder hervor.
»Hier sind sie ja!«, sagte er lautstark und in einem Ton, als würde er ewige Wahrheiten verkünden. »Ich wusste doch ganz genau, dass ich welche hatte. Bitte, bedienen Sie sich, mein Sohn.«
Der Mann ergriff die Streichholzschachtel, entzündete eines der Hölzer und setzte seine Zigarette in Brand. Anschließend gab er die Zündhölzer mit einigen knappen Dankesworten zurück und wollte schon wieder die Tür schließen.
»Einen Augenblick noch, mein Sohn«, hielt ihn der Geistliche zurück. »Darf ich Ihnen hier noch eine kleine Broschüre anvertrauen. Vielleicht finden Sie bei Ihrer Reise die Zeit, einen Blick hineinzuwerfen, und Sie werden sehen, welch kostbare…«
»Danke«, lehnte der Mann brüsk ab. »Ich habe schon Ihre Streichhölzer genommen. Ich möchte Sie nicht auch noch um diese kostbare Broschüre berauben.«
Seine Stimme troff vor Ironie.
»Aber Sie sollten sie wirklich lesen, mein Sohn«, sagte der Geistliche eindringlich. »Sie werden sehen…«
»Danke«, kam es in einem Ton, der keinen
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