0294 - Das Grauen wohnt in toten Augen
wisse, daß ich den gegebenen Eid auf jeden Fall halte und nicht halte. Denn ich habe geschworen bei allem, was mir heilig ist. Aber mir, dem Herrscher des Krakenthrones von Atlantis, ist nichts heilig!«
Aus der unsichtbaren Kehle des Dschinns kam ein gequälter Wutschrei.
»Man soll einem Hund nicht trauen, wenn er sich vor dem drohenden Stock duckt!« grinste Amun-Re. »Der Hund wird beißen, sobald er die Gelegenheit hat. Für mich ist diese Gelegenheit jetzt da!«
Asfar, der Gelbe, stieß ein angstvolles Heulen aus. Er spürte, daß ihn ein gnadenloser Gegner in seiner Gewalt hatte. Die Macht des Ringes war zu stark.
»Gnade!« winselte er. »Ich werde tun, was du willst. Aber verschone mich vor dem, was in dem Ring wohnt!«
»Willst du mir auch was Hübsches schwören?« fragte Amun-Re. »Etwas, auf das ich mich verlassen kann?«
»Alles, was du willst, hoher Gebieter. Ich bin dein Diener… dein Sklave!« heulte der Dschinn. Denn inzwischen entstanden aus den Wänden des Tempels auf Geheiß des gräßlichen Zauberers wieder die schrecklichen Dämonengestalten.
»Ich weiß etwas, das sicherer ist als ein Schwur!« Amun-Re erhob sich mit herrischer Gebärde. An seiner Hand blitzte der Ring des Nibelungen, den er dem Dschinn entgegenhielt.
»Schwöre auf den Ring. Und küsse ihn zum Zeichen, daß der Schwur gilt!« befahl er. »Wenn du mich hintergehst und Verrat übst, wird dich die Kraft des Ringes unweigerlich anziehen. Und nicht eher wirst du wieder frei werden, als bis der Ring wieder auf dem Grund des Rheins ruht!«
»Ich weigere mich!« stieß Asfar hervor. »Mir graust vor diesem Ring. Ich kann mich ihm nicht nähern. Seine Nähe verbrennt mich wie Feuer!«
»Damit hast du einen Vorgeschmack was geschieht, wenn du deinen Eid brichst und du in den Ring hineingezogen wirst!« erklärte Amun-Re kalt. »Nun, ihr Kreaturen meines Willens, ergreift ihn. Er gehört euch bis er den Eid leistet und den Ring küßt!«
Asfar stieß ein Jammergeheul aus, als sich die Dämonenwesen aus den Wänden laut johlend auf ihn stürzten und mit ihm ihre gräßlichen Späße trieben. Selbst der verrohteste Folterknecht des Mittelalters hätte keine ärgere Pein ersinnen können als die Höllenwesen des Amun-Re.
Asfar kreischte, brüllte und tobte, während die grausigen Peiniger immer aufs neue über ihn herfielen. Amun-Res meckerndes Lachen hallte durch den Tempel.
Ein schriller Pfiff des Dschinns, ein heiser gekrächztes: »Ich werde tun, was du verlangst, Herr!« beendete das infernalische Toben. Im selben Moment, wo der Wille des Dschinns gebrochen war, wichen die Dämonengeschöpfe zurück.
Zitternd, wenn man bei einem Dschinn das Wort »Zittern« gebrauchen kann, leistete Asfar den fürchterlichen Eid. Er glaubte, in einem Meer von Schmerzen zu versinken, als er sich überwand, den Ring des Nibelungen zu küssen. Doch die ihn umlauernden Höllenwesen des Amun-Re, in deren Augen es glühte, ließen ihm keine Chance.
Gebrochen sank Asfar, der Dschinn, in sich zusammen. Auf eine Handbewegung des Zauberers sanken die Dämonen in die Wände zurück und vergingen im Felsen.
»Was befiehlt der Herr seinem getreuen Knecht?« fragte Asfar mit leiser Stimme seinen Bezwinger.
»Du wirst die Heere des Sandes neu entstehen lassen!« befahl Amun-Re. »Ich werde sie lenken und leiten. Dort im Norden, du kennst diese Menschen wohl, werden sie erscheinen und Furcht und Schrecken verbreiten!«
»Ich gehorche, hoher Gebieter!« dienerte Asfar. Die Angst hatte seinen Widerstand für den Augenblick gebrochen.
»Diese Menschen sind meine geschworenen Feinde!« sagte Amun-Re. »Du hast den blonden Jüngling mit dem Schwert gesehen und das hellhaarige Mädchen!«
»Ich sah sie, großmächtiger Herrscher!« bestätigte der Dschinn.
»Ich will sie haben. Hierher! Alle beide! Und lebendig!« befahl Amun-Re. Jedes seiner Worte traf Asfar wie ein Peitschenschlag.
Denn gerade das mutige Mädchen hatte dem Wüstengeist besonders gut gefallen. Er ahnte, wozu Amun-Re sie brauchte.
In reliefartigen Abbildungen in den Wänden des Tempels wurden die grausigen Opferfeiern zu Ehren der Jhil dargestellt. Auch wenn das Alter die Steine verwittern ließ, waren die unheiligen Zeremonien sehr anschaulich dargestellt.
Ein krummes Hakenmesser, dem Papageienschnabel der Blutgöttin nachempfunden war der Opferdolch. Auf einem Seitenaltar im hinteren Ende des Raums sah Asfar eine solche Waffe liegen. Zwar hatte die Zeit die Bronze mit einer
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