0299 - Das Lagunen-Monstrum
dann verlasse ich Venedig. Wenn der Morgen graut, dann hat Trichilis adornis die Stadt umschlungen. Dann kommt niemand mehr heraus. Und auch mir wird dieses Wesen gefährlich. Daher ziehe ich es vor, die Stadt zu verlassen. Ihr sterbt hier in den Flammen, und Zamorra wird das unweigerliche Opfer der gigantischen Amöbe. Danach habe ich keine Feinde mehr!«
»Du wirst dich sicher entsetzlich langweilen!« sagte Carsten Möbius sarkastisch. »Ich werde dich demnächst einmal bedauern!«
»Was übrig bleibt, darüber wird sich die Gallertsubstanz der Amöbe senken!« sagte Amun-Re, die Bemerkung überhörend. »Damals hätte sie sich über Belverus gelegt - so sei es denn heute Venedig. Und sie wird weiterziehen, wenn ihr Hunger aufs neue erwacht!«
»Willst du uns wirklich hier einem so grausamen Schicksal überlassen?« fragte Tanja König entsetzt.
»Ihr werdet doch nichts davon merken, wenn die Amöbe kommt!« lachte der Herrscher des Krakenthrons böse. »Vorher seid ihr verbrannt. Sekt her!«
Er hob seine rechte Hand und wies auf einen Vorhang am Fenster. Sofort züngelte eine rotblaue Flamme auf.
»Der Brand wird sich langsam ausbreiten!« sagte er dann. »Ihr werdet die Todesangst und das Sterben in aller Form auskosten. Und nun - sterbt wohl!« Eine angedeutete Verbeugung - dann drehte sich Amun-Re um und verließ den Palazzo. An der Mole vor dem Eingang dümpelte eine schwarze Gondel im Wasser. Amun-Re ging an Bord. Ein Schnitt mit dem Opferdolch durchtrennte das Seil, mit dem die Gondel festgemacht war.
Amun-Re benötigte keine Ruder. Er lenkte die Gondel mit seinen Geisteskräften. Während er durch den Canale Grande langsam in Richtung der Ponte della Liberta fuhr, erkannte er, daß sich die Gallertmasse der Amöbe unter Wasser langsam zu konzentrieren begann.
Trichilis adornis erwachte. Und das ging schneller als erwartet. Wenn er nicht schnell genug war, wurde er selbst mit bedroht.
Seine Geisteskräfte ließen die Gondel in höchstem Tempo durch den großen Kanal gleiten. Dann passierte er die Ponte della Liberta - die Freiheitsbrücke, die über ungefähr zwei Kilometer das Wasser der Lagune umspannt und Venedig mit dem Festland verbindet. Die Gondel zog vorbei an den Netzen, welche die Fischer hier ausgespannt hatten, damit sich Fische darin verfingen.
Amun-Res Lippen verzogen sich zu einem bösen Grinsen. Niemals wieder würde man hier Fische fangen. Dies alles waren nun die Weidegründe für die Amöbe, welche langsam ihre Substanz aus dem Schlamm der Lagune dringen ließ.
Aus der Ferne erkannte Amun-Re, wie sich eine weißliche Masse über die Brükke schob. Hupen von Autos zeigte an, daß die wenigen Wagen, die in der Nacht die Brücke passierten, aufgehalten wurden.
Der Belagerungsring war vollständig. Die Amöbe hatte Venedig umschlossen. Ein Entkommen war unmöglich geworden.
Keine Chance für Professor Zamorra, sich seinem Schicksal diesmal zu entziehen. Für Amun-Re war er ein Mensch, der bereits tot war.
Der Herrscher des Krakenthrons beschloß, sein geheimes Refugium auf Burg Rheinfels wieder aufzusuchen. Die Nacht hüllte seine Gestalt in den Mantel der Schwärze…
»Da hinten - die Flammen - ich habe es geahnt!« knirschte Professor Zamorra. Vor ihnen das Gebäude gleich einer hellodernden Fackel. Von drinnen hörte man Rufe, die im knackenden Prasseln der Flammen nicht zu verstehen waren.
»Das ist das Werk von Dämonen!« sagte Pater Aurelian. »Retten wir, was zu retten ist!« Die beiden Freunde waren kräftig und gut durchtrainiert. Mit traumwandlerischer Sicherheit hatten sie ihren Weg durch das Gewirr der Gassen und Kanäle bis hierher gefunden.
Mit aller Kraft warf sich Professor Zamorra gegen die Tür. Splitternd ging sie zu Bruch. Eine mächtige Rauchwolke drang ihnen entgegen.
Professor Zamorra bekam einen Hustenanfall. Doch der schwarze Rauch verzog sich schnell. Dafür bot das Innere des Palazzo das Bild einer Flammenhölle.
Immer wieder gellten Schreie aus dem Inneren.
Die beiden Freunde zogen ihre Jacken aus und tauchten sie in das Wasser des Kanals. Die Gallertmasse der Amöbe war bei dem flackernden Licht der Flammen nicht zu erkennen.
Sie legten sich die feuchten Jacken um den Kopf und stürmten in den Palazzo.
Professor Zamorra hoffte inständig, daß sie nicht zu spät kamen…
***
»Ich will nicht sterben! Ich will nicht…!« heulte Tanja König. Verzweifelt versuchte sie, ihren schlanken Körper vor der anzüngelnden Flamme wegzubiegen.
»Es
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