03 Arthur und die Stadt ohne Namen
so gut wie möglich vor den Schatten zu verstecken.«
»Absolut richtig.« Der Bibliothekar nickte. »Und nach dieser Devise haben die Bewahrer in den letzten Jahrhunderten auch stets gehandelt. Aber die Situation hat sich völlig verändert. Die Schatten sind aus ihrem Schlupfwinkel gekommen, und die einzige Möglichkeit, sie aufzuhalten, ist, sich ihnen entgegenzustellen.«
»Leicht gesagt«, warf Larissa sarkastisch ein. »Wie soll man Wesen bekämpfen, die keinen Körper haben und über Kräfte verfügen, von denen wir nur träumen können?«
»Genau dafür braucht man das Buch der Leere«, erwiderte der Bibliothekar. »Denn es verfügt über eine besondere Eigenschaft, die keinem der anderen Bücher innewohnt: Wer das Buch der Leere besitzt, dem können die Schatten nichts anhaben. Im Gegenteil, es verleiht seinem Besitzer eine Kraft, die es mit der ihren aufnehmen kann.«
»Und wie genau soll das gehen?« Ich war skeptisch, denn ich hatte bei unserem letzten Abenteuer gesehen, welche Macht schon eine einzelne dieser Kreaturen besaß. »Halten wir ihnen einfach das Buch entgegen und sie lösen sich in Luft auf?«
Er sah mich missbilligend an. »Nur ein Narr macht sich über Dinge lustig, die er nicht versteht.«
Der Bibliothekar war wirklich humorfrei. »So war das nicht gemeint. Tut mir leid.«
Er blickte mich skeptisch an, bequemte sich dann aber doch zu einer Erklärung. »Das Buch erzeugt um den, der es trägt, eine Leere, die von den Schatten nicht beherrscht werden kann«, sagte er. »Der Betreffende ist für sie und ihre Macht nicht erreichbar.«
»Und dann?«, fragte ich. »Selbst wenn man durch das Buch geschützt wird, wie soll man die Schatten besiegen?«
»Dazu benötigt man das Wissen aus jahrelangen Studien«, erwiderte er. »Es würde zu weit führen, das jetzt zu erläutern. Wahrscheinlich wäre es euch noch gar nicht möglich, das alles zu begreifen. Wichtig ist zuallererst, dass ihr das Buch der Leere findet.«
Ich verdrehte die Augen. Das war wieder einmal eine ausgesprochen hilfreiche Auskunft. Aber Larissa ließ sich davon nicht entmutigen.
»Wir werden das Buch der Leere finden«, sagte sie ohne eine Spur von Zweifel in ihrer Stimme. »Und den Schatten anschließend zeigen, was wir von ihren Machenschaften halten.«
Ich wusste, dass das die unausweichliche Konsequenz aus den Vorfällen dieses Tages war. Uns blieb kein anderer Weg. Wir mussten die Sache jetzt zu Ende bringen oder es zumindest versuchen. Meiner Meinung nach hatten wir zwar immer noch viel zu wenige Informationen, aber das ließ sich nun nicht mehr ändern. Zum Glück war morgen der letzte Schultag vor den Osterferien. Das gab uns die Zeit, nach dem Buch der Leere zu suchen.
Aber dazu mussten wir erst einmal herausbekommen, wo es sich befand. Und dafür brauchten wir das Register von Leyden .
Spurensuche
Das Register von Leyden war ein dünnes Büchlein, in das über die letzten Jahrhunderte hinweg zahlreiche Bewahrer in verschlüsselter Form Hinweise auf die Fundorte der Vergessenen Bücher eingetragen hatten. Es war lange Zeit verschollen gewesen, bis Larissa und ich es mit der Hilfe des mysteriösen Gerrit de Fleer in Teylers Museum in Haarlem wiedergefunden hatten.
Heute befand sich das Register im Schließfach eines Tresors in einer Bank in unserer Stadt. Und zu unserem Glück hatte der Bücherwurm Larissa an ihrem sechzehnten Geburtstag als Berechtigte zur Öffnung des Fachs eintragen lassen.
Am nächsten Morgen riefen wir noch vor dem Frühstück im Krankenhaus an und ließen uns mit dem diensthabenden Arzt auf der Intensivstation verbinden. Der Zustand von Larissas Großvater hatte sich über Nacht weiter stabilisiert. Allerdings lag er immer noch im Koma. Der Arzt machte uns Hoffnung, dass wir ihn am Nachmittag vielleicht einmal kurz sehen konnten.
Lediglich der Bibliothekar brachte einen großen Hunger mit an den Frühstückstisch. Larissa und ich bekamen kaum einen Bissen hinunter. Sobald unser Gast fertig war, räumten wir schnell den Tisch ab. Larissa holte den Schließfachschlüssel aus dem Schreibtisch des Bücherwurms und wir machten uns auf den Weg zur Bank. Die Schule schwänzten wir. Weil es der letzte Unterrichtstag vor den Osterferien war, würden wir nicht viel verpassen.
Eine Stunde später waren wir zurück im Haus des Bücherwurms. Der Bibliothekar hatte sich ins Arbeitszimmer des Alten zurückgezogen und studierte an seinem Schreibtisch ein dickes Buch, das sichtlich mehrere
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