03 - komplett
sollte dieser Mann wirklich Major Flint sein – es recht arrogant von ihr gewesen war, zu glauben, er würde wissen, wer sie war. Es hatte zumindest nicht den Anschein, dass er sie wiedererkannte. Sein Blick war lediglich der eines Mannes, der eine anziehende Frau mustert. Und sie wurde allgemein für hübsch gehalten. Ihre Eltern sagten es ihr, Lucinda sagte es ihr, und ihr Spiegel gab ihr keinen Grund, es nicht zu glauben.
Nicht mit ihr bekannte Gentlemen setzten alles daran, ihr vorgestellt zu werden.
Selbst jene, die sie sehr wohl kannten und auch von ihren gescheiterten Verlobungen wussten, versuchten, sie zu bezaubern – in der trügerischen Hoffnung, sie könnten den Spieß umdrehen und ihr das Herz brechen. Rachel fand es insgeheim lustig, dass sie wirklich glaubten, sie könnte ihre Absichten nicht durchschauen. Allerdings erfuhr sie meistens von den Wetten, die abgeschlossen wurden und bei denen es darum ging, wer es schaffen würde, sie zu erobern – und ihr am Ende rücksichtslos und vor aller Augen den Laufpass zu geben.
Wenn sie sich also in London aufhielt, erlaubte sie zwar einigen Dummköpfen, sie zu besuchen und mit ihr im Hyde Park auszufahren. Sie ermutigte sie auch dazu, sie in der Opern- oder Theaterloge ihrer Eltern aufzusuchen. Doch sobald man über diese neue, scheinbar so innige Bindung zu klatschen begann, brachte Rachel alle kurzerhand zum Schweigen, indem sie den jeweiligen Herrn von nun an links liegen ließ. Sie bedauerte nicht, dass sie dadurch ihren Ruf, eine kaltherzige Herzensbrecherin zu sein, nur verstärkte.
Das Wiehern der Pferde riss Rachel aus ihren Gedanken. Sie sah auf und blickte direkt in Lord Devanes blaue Augen.
Oh doch, er ist es, erkannte sie plötzlich. Und er hatte sie sehr wohl erkannt. Was mochte er denken? War er immer noch böse auf sie, weil sie ihn öffentlich gedemütigt hatte? Es musste schlimm für ihn gewesen sein.
Jedenfalls ließ er sich nichts anmerken. Aber warum gab er vor, einen Titel zu besitzen? Rachel rief sich insgeheim zur Ordnung. Es konnte ihr doch gleichgültig sein, ob er inzwischen einen Titel geerbt hatte oder nicht. Für sie blieb er schlicht Major Flint, und sie brauchte sich auch keine Sorgen darüber zu machen, dass sie ihn damals verletzt hatte, denn das war nun einmal geschehen und ließ sich nicht mehr ändern.
„Nehmen Sie bitte die Hand fort, Sir, damit wir weiterfahren können“, wies sie ihn kühl an.
Lucinda, die aufmerksam den angespannten, wortlosen Schlagabtausch zwischen den beiden beobachtet hatte, mischte sich schnell ein. „Ich bin Mrs. Saunders, Lucinda Saunders. Und ich bin Ihnen von Herzen dankbar für Ihre Hilfe, Mylord. Es hätte böse enden können, wenn Sie nicht eingegriffen hätten. Glücklicherweise ist noch mal alles gut gegangen.“
„Und Sie sind ...?“, wandte er sich freundlich an Rachel.
Sie antwortete ruhig: „Oh, ich bin ... Ihnen auch sehr dankbar, Sir. Sie hingegen sind hoffentlich bald so freundlich und treten zur Seite, damit ich endlich nach Hause kommen kann.“ Sie rief Ralph zu, er solle losfahren, und lehnte sich behaglich in ihren Sitz zurück.
Doch die Pferde wurden noch immer mit starker Hand festgehalten. „Soll ich Ihnen sagen, was ich glaube, was Sie sind?“
Rachel klopfte das Herz bis zum Hals. Sie spürte, wie sie errötete. „Ganz offensichtlich macht es Ihnen nichts aus, Ihre Zeit zu vergeuden, Sir. Wenn Sie mich allerdings schon ungebeten ansprechen müssen, dann machen Sie rasch, denn ich werde allmählich ungeduldig.“ Sie blickte ihm über die breiten Schultern und verzog geringschätzig den Mund. „Wie übrigens auch Ihre reizende Begleitung. Wie mir scheint, versucht sie, Ihre Aufmerksamkeit zu erringen.“
Die Italienerin machte keinen Hehl aus ihrem Missmut und schaute immer wieder zu ihnen herüber. Es war nicht mehr viel geblieben von ihrer kühlen Eleganz, und auch ihre Verehrer waren inzwischen ihrer Wege gegangen.
Connor Flint schenkte seiner Begleiterin nur einen flüchtigen Blick und zeigte noch immer keine Neigung, zu ihr zurückzueilen. Stattdessen wartete er, bis Rachel ihn wieder ansah, bevor er erwiderte: „Ich soll rasch machen? Sind Sie sicher?“ Ein kühles Lächeln ließ ihr Herz noch schneller schlagen. „Nun gut. Was ich glaube, ist, dass Sie noch genau so sind wie früher. Sie haben sich wenig verändert, Miss Meredith.“ Ein spöttischer Blick ruhte kurz auf ihren Lippen. „Was für mich günstig ist. Aber katastrophal für
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