03 - komplett
Idee gehabt hätte, sie könnte so etwas tun ... In ihren neunzehn Jahren habe ich sie kein einziges Mal gezüchtigt, und der Herrgott weiß, sie hat mich oft mit ihrem Eigensinn in Versuchung geführt. Doch wäre mir nur eine Ahnung gekommen, wie hinterhältig sie sich verhalten würde, hätte ich sie schon vor Jahren übers Knie gelegt.“
Connor wandte abrupt den Kopf. Seine blauen Augen blitzten. „Sagen Sie das nicht.“
Die Stimme klang ruhig, fast freundlich, doch der Hauch einer Warnung war nicht zu überhören.
Müde schloss Edgar die Augen und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. „Ich werde mich natürlich um die Formalitäten kümmern, die Gäste und Reverend Dean in Kenntnis setzen. Als Brautvater – als Vater der abtrünnigen Braut –
muss ich die Schuld auf mich nehmen und die Schande und die Verantwortung ...“
„Sie hat zu niemandem etwas gesagt? Ist sie mit einem heimlichen Geliebten durchgebrannt?“
Die grimmige Enttäuschung in Connors Ton ließ Edgar schuldbewusst zusammenzucken. Wie konnte er die erbärmlichen Ausreden aufzählen, die Rachel erwähnt hatte? Wie konnte er diesem stattlichen, ansehnlichen Kavallerieoffizier, der mehrere Male für seinen Mut ausgezeichnet worden war, erklären, dass Rachel ihm am Abend vor der Hochzeit den Laufpass gegeben hatte, weil sie sich einen charismatischeren, aufregenderen Gemahl wünschte?
„Reist sie allein?“
„Mit ihrer Schwester Isabel. Meine Frau und Isabel haben alles versucht, um Rachel zur Vernunft zu bringen. Da alles nichts half, bestand meine Frau wenigstens darauf, dass Isabel sie begleitete. Als ich davon erfuhr, war es zu spät, mich an ihre Fersen zu heften. Und das hat sie natürlich gewusst. Sie wusste, dass meine Pflicht Ihnen gegenüber und die Ehre meiner Familie mir wichtiger sein würden.“ Er schüttelte den Kopf und fuhr mit zitternder Stimme fort: „Meine Rachel ist schon immer ein kluger Kopf gewesen. Aber ein solch rücksichtsloses Ränkeschmieden geht zu weit.
Das werde ich ihr nie verzeihen! Mein Leben lang habe ich mich nicht so nutzlos gefühlt, so zornig ... so zutiefst enttäuscht.“
„Wie wahr ...“, sagte Connor tonlos.
1. KAPITEL
Sechs Jahre später
„Hast du denn nicht manchmal Sehnsucht nach einem Gatten und eigenen Kindern, Rachel?“
„Ich habe dir doch gesagt, dass ich mich gern damit zufriedengebe, deinen Paul mit dir zu teilen.“
„Nein, sei bitte ernst“, schalt Lucinda sie und kicherte. „Hast du es je bedauert, Mr.
Featherstone abgewiesen zu haben?“
Rachel sah einen Augenblick verwirrt aus. „Oh, jetzt weiß ich, wen du meinst!“, rief sie plötzlich und brach in Gelächter aus. Natürlich, der letzte Mann, der um sie angehalten hatte. Und genau das war auch der einzige Grund für seine Anziehungskraft, erkannte sie jetzt amüsiert. Man hatte sie davon überzeugt – und nicht ohne Grund, wie sich herausstellte – dass er vielleicht der letzte heiratsfähige Mann war, der sie hofieren würde. Kaum einen Monat nach Bekanntgabe ihrer Verlobung war ihr allerdings klar geworden, dass sie doch nicht so verzweifelt darauf aus war, in den Ehestand zu treten.
Da ihre Freundin noch auf eine Antwort wartete, tat Rachel den Herrn mit einem Lachen ab. „Du lieber Himmel, nein! Er war ein notorischer Duellant und ein Spieler und in beidem nicht besonders erfolgreich. Für meinen Geschmack war er viel zu häufig abgebrannt. Und ich habe das ungute Gefühl, er spekulierte darauf, durch mich an Windrush zu kommen, um seine leeren Taschen wieder zu füllen.“
„Na schön, aber was war mit dem anderen Gentleman? Der mithilfe eines silbernen Gehstocks ging, weil er ein wenig hinkte, und das Gesicht eines Adonis hatte ...“
„Es ist seltsam, dass du auf Philip Moncur zu sprechen kommst“, sagte Rachel nachdenklich. „Vor einem Monat ungefähr schickte er mir einige Gedichte, obwohl ich seit über drei Jahren nichts mehr von ihm gehört hatte ... seit also unsere Verlobung aufgelöst wurde.“
„Wie schmeichelhaft, dass er sich an deine Vorliebe für Wordsworth und Keats erinnert hat.“
„Nun, wenn er sich erinnert hat, dann hat es jedenfalls nichts genützt, denn er schickte mir irgendwelchen Blödsinn, den er selbst verbrochen hat – einen Vierzeiler, der meine ätherische und klassische Gemütsruhe rühmte. Als ich darauf nicht einging, folgte eine Ode, in der er mich mit einer Marmorstatue verglich: düster und wunderschön, doch der heißblütigen
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