03 - komplett
das Sie an?“, verlangte der Mann in der Kutsche zu wissen. Er schwitzte inzwischen heftig, die Wangen waren gerötet vor Ärger.
„Es sind Damen anwesend“, betonte Ralph mit einem vielsagenden Blick auf seine Passagiere.
„Richter anwesend“, konterte der Mann und grinste selbstgefällig. „Und ich habe eine gute Nase für Gauner ...“ Er tippte sich mit dem Finger an die knollige Nase. Der Blick aus den boshaften kleinen Augen blieb an dem jungen Brauer haften. „Ich rieche einen Gauner auf jede Entfernung. Auf deinem Wagen steht kein Name, und ich erinnere mich auch nicht, dich bei den Brauereiversammlungen gesehen zu haben. Ich hätte nicht übel Lust, mir deine Ausschankerlaubnis anzusehen.“ Es war ein Schuss ins Blaue hinein – und traf doch mitten ins Schwarze.
Der junge Mann funkelte Ralph wütend an. „Großartig! Konnten Sie sich nicht da raushalten? Jetzt muss ich es mit dem Richter ausbaden!“
„Wag es ja nicht, mit mir in diesem Ton zu sprechen“, schimpfte Ralph und war schon im nächsten Moment vom Bock gesprungen. In seiner Wut achtete er nicht auf Rachels scharfen Befehl, er solle gefälligst sofort wieder aufsteigen und sie nach Hause fahren. Gereizt riss er sich die elegante Livree und den Hut herunter und rollte die gestärkten Baumwollärmel bis zu den Ellbogen hoch.
Mit federnder Geschmeidigkeit kam der junge Brauer vom Wagen herunter und stellte sich Ralph. Beide spuckten sich in die Hände, und es folgte das Ritual jedes Faustkampfs, bei dem beide Kontrahenten sich in den Knien wiegten und gleichzeitig in vorsichtiger Entfernung umeinander kreisten. Gerade als Ralph zum Schlag ausholte, wurde seine Faust mitten in der Bewegung von einer großen, starken Hand festgehalten.
„Gibt es Schwierigkeiten?“
Rachel hatte niemanden herankommen sehen. Sie war zu sehr damit beschäftigt gewesen, ihre Waffe vorzubereiten. Der junge Brauer würde ihren zusammengerollten Schirm zu spüren bekommen, bevor sie es zuließ, dass Ralph von ihm niedergestreckt wurde. Als Lucinda jedoch scharf die Luft einsog, öffnete Rachel ihren Schirm wieder mit zitternden Fingern und verbarg ihr Gesicht halb dahinter. Der Neuankömmling sprach mit einem eindeutig irischen Akzent, also gab es keinen Zweifel, um wen es sich dabei handelte. Ihr Herz begann beunruhigend schnell zu pochen.
Ralph ließ streitlustig die Finger knacken. „Was für’n Glück, dass Sie zufällig gekommen sind, Sir. Hätte ihn sonst ganz flott verdroschen, aber ratzfatz.“
Der Richter begrüßte den Schlichter mit einer trägen Handbewegung. Es entging ihm nicht, dass er einen wohlhabenden, einflussreichen Gentleman vor sich hatte, und er ließ es sich nie nehmen, eine nützliche Bekanntschaft zu pflegen. „Diese beiden Raufbolde behindern mich in der Ausübung meiner Pflichten. In nur zehn Minuten werde ich bei einer Verhandlung erwartet“, ereiferte er sich. „Und dieser Bursche ...“, er wies mit einer jähen Kopfbewegung auf Ralph, wobei seine Perücke ihm über die Augen rutschte, „... ist entschlossen, so beleidigend wie nur möglich zu sein. Ich werde dafür sorgen, dass alle ausgepeitscht und mit einem Bußgeld belegt werden für ordnungswidriges Benehmen und die Behinderung eines Friedensrichters.“
Energisch rückte er die Perücke wieder zurecht.
„Das ist nicht gerecht! Und wahr auch nicht!“ Rachel, die sich die wilden Übertreibungen nicht länger mit anhören konnte, ließ ihren Schirm entschlossen zuschnappen. Tief einatmend, um sich Mut zu machen, hob sie den Kopf.
Der elegante Gentleman mit dem schwarzen Haar und der verblüffenden Ähnlichkeit mit ihrem ehemaligen Verlobten stand so dicht neben dem Landauer, dass Rachel nur die Hand hätte auszustrecken brauchen, um ihn zu berühren. Mutig ließ sie den Blick über die markanten, nur allzu vertrauten Züge gleiten. Er ist es nicht, sagte sie sich. Ich erinnere mich nicht, dass er so hochgewachsen oder eindrucksvoll gewesen wäre. Dieser Gedanke war sehr willkommen und gab ihr Kraft, seinem Blick standzuhalten.
„Wenn Sie in der Reihe gewartet hätten wie alle anderen, statt sich rücksichtslos vorzudrängeln, hätten die Räder sich nicht verheddert und wir wären alle schon längst zu Hause“, fuhr Rachel hitzig fort.
Ungläubig starrte der Richter sie an, fasste sich aber schnell und erwiderte herablassend: „Meine liebe junge Dame, ist Ihnen überhaupt bewusst, mit wem Sie reden? Wen Sie hier der Lüge bezichtigen?“ Sein aalglatter
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