03 Nightfall - Zeiten der Finsternis
meinst wohl der Agent, der hier das Sagen hatte«, entgegnete Merri trocken. »Genau.«
»Derzeit ist er wohl nicht gerade der glücklichste Hase im Klee.«
»Wenn man bedenkt, dass das Opfer seinem Team angehört hat, ist das verdammt milde ausgedrückt.«
»Na ja. Bin gespannt, wie er sich fühlt, wenn er erfährt, dass möglicherweise einige seiner Leute an dem Mord beteiligt waren«, murmelte Emmett. »Die FBI -Leute werden noch unglücklicher sein, wenn sie hören, dass wir den Tatort jetzt abriegeln.«
Die Situation unter Kontrolle bekommen und beilegen. Ordnung machen. Den Müll in den Ofen werfen und zusehen, wie er verbrennt, hatte sein Großvater so etwas immer genannt. Wie man es auch nannte – das Ergebnis war dasselbe. Die Begebenheiten wurden verändert, wenn es gutging, oder völlig ausradiert, wenn es zum Schlimmsten kam.
Ein notwendiges Übel, das sein Beruf mit sich brachte.
Emmett hörte leise Stimmen aus dem Wohnzimmer. Dort lief anscheinend noch der Fernseher, den niemand ausgeschaltet hatte. Höchstwahrscheinlich hoffte einer der Beamten, so das Ergebnis der Boxmeisterschaften im Mittelgewicht zwischen Garcia und Dowd sowie die neuesten Sportresultate zu erfahren, während der Tatort gesichert wurde. Vom Polizeifunk war dagegen nichts mehr zu hören.
Das FBI war gemeinsam mit der Polizei von Seattle wieder abgezogen. Mann, vielleicht waren sie alle in eine Kneipe um die Ecke gezogen, um sich dort die Kante zu geben und darüber zu jammern, wie die Schattenabteilung die Sache wieder einmal an sich gerissen hatte und den ganzen Ruhm für sich einstreichen wollte.
Doch nichts war je, wie es den Anschein hatte. Vor allem nicht hier.
Emmett betrat das Zimmer, wobei er sich Mühe gab, die Blutspritzer zu vermeiden, die den eierschalenfarbenen Teppich in der Nähe der Tür befleckten. Ihm stieg ein schwacher Uringeruch in die Nase, den der Geruch des Blutes fast überlagerte.
»Unsere Reinigungsmannschaft trifft in rund zehn Minuten ein«, erklärte Merri, »und Gillespie soll mit weiteren Anweisungen aus der Zentrale vorbeischauen.«
»Ich frage mich, was da so lange dauert. Gewöhnlich ist Gillespie doch der Erste, der am Tatort ist.«
»Die Zentrale hat den Chef höchstwahrscheinlich aufgehalten, während sie damit beschäftigt war zu überlegen, wem sie diese ganze Angelegenheit in die Schuhe schieben kann. Sobald sie das wissen …«
»Werden Köpfe rollen«, stimmte Emmett zu. Er sah sich nochmals in dem Zimmer um. Sein Blick wanderte langsam über die Dinge, während in seinen Gedanken sein übliches Was-stimmt-nicht-mit-diesem-Bild-Spiel ablief. Was war normal, was ungewöhnlich? So ging er nicht mehr nur an Tatorten oder während seiner Arbeit vor, er hatte sich sogar bereits dabei ertappt, wie er das auch im Supermarkt, im Einkaufszentrum, im Kino oder vor der Schule seiner Kinder tat. Überall.
Eine Handfeuerwaffe auf dem Fußboden vor der Nordwand. Eine Smith & Wesson. Nicht normal.
Ein offener Waffenschrank, in dem sich noch eine Schachtel Munition befand. Wahrscheinlich ebenfalls nicht normal.
Der tote Alberto Rodriguez lang ausgestreckt auf dem Boden in seiner eigenen Blutlache, die allmählich trocknete. Das war garantiert alles andere als normal.
Aber was in diesem Haus geschehen war, hatte ohnehin nicht das Geringste mit Normalität zu tun.
»Abano und seine Leute haben keine Ahnung, was Vampire betrifft«, sagte Merri, als habe sie Emmetts Gedanken gelesen. Allerdings wusste er, dass sie das nicht getan hatte; dieses Thema hatten sie schon viele Jahre zuvor geklärt und ad acta gelegt. »Sie glauben, Rodriguez sei durch mehrere Stich- und Schnittwunden am Hals zu Tode gekommen, und ich habe mich gehütet, ihnen zu widersprechen.«
Emmett lachte. »Sie hätten dir ohnehin kein Wort geglaubt.«
»Zumindest nicht gleich«, antwortete Merri und schenkte ihm ein schiefes Lächeln. »Du wolltest es auch nicht glauben, als du das erste Mal davon hörtest.«
»Kann es immer noch nicht«, entgegnete er.
Merri verschränkte die Arme vor der Brust, verlagerte ihr Gewicht auf eine Hüfte und hob die Brauen. »Aha. Du willst doch wohl nicht, dass ich es dir nochmal beweise – oder, Thibodaux?«
Emmett schüttelte lächelnd den Kopf. »Einmal hat gereicht, danke.« Er zog seine Hose an den Oberschenkeln hoch und ging neben Rodriguez’ Leiche in die Hocke. Scharfe Zähne hatten den Hals des Mannes durchlöchert und aufgerissen.
»Nicht gerade eine saubere Arbeit«, meinte
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