03 - Saison der Eifersucht
Annabelle. Die Gunter-Schwestern
waren im Jahrhundert zuvor berühmt gewesen für die blendenden Partien, die sie
gemacht hatten. »Weißt du, was eine von ihnen zu George II gesagt haben soll?
Der alte König beklagte sich, dass ihm Staatsakte zuwider seien, und eine der
Schwestern sagte fröhlich: >Ich mag sie auch nicht, Eure Majestät. Der
einzige Staatsakt, den ich sehen möchte, ist die nächste Krönung!<«
Sarah schnappte
nach Luft vor hilflosem Gekichere. Schließlich trocknete sie sich die Tränen,
die sie gelacht hatte, und sagte: »Wir müssen dafür sorgen, dass Harriet uns
nicht auf ihre hinterhältige Art die Schau bei den Gentlemen stiehlt. Sie hat
es schließlich geschafft, dass Papa sie wie eine Tochter geliebt hat. Das kann
ich ihr nie verzeihen. Wenn sie mit ihm kokettiert und er sie als Mätresse in
Betracht gezogen hätte, wäre es leichter zu ertragen gewesen. Aber wenn sie so
dasaß mit ihren blauen Augen und tat, als könnte sie kein Wässerchen trüben,
habe ich mich jedes Mal krank geärgert.«
»Und Papa wollte
nicht ein Wort gegen sie hören.«
»Aber warte nur,
bis wir in London sind, Miss Harriet Metcalf, da wirst du sehen, dass du nicht
durchkommst, wenn du die Unschuld vom Lande spielst.« Sie tat so, als klemme
sie sich ein Monokel ins Auge und starrte Annabelle hochmütig an. »Meiner
Seel«, spottete sie mit tiefer Stimme, »wer ist denn dieses dümmliche Milchmädchen
bei den schönen Hayner-Zwillingen?«
»Es ist wirklich zu
köstlich«, sagte Annabelle und begann von neuem zu kichern. Sarah knuffte sie
liebevoll, und dann rollten beide Schwestern auf dem Sofa herum und konnten
sich nicht halten vor Lachen bei dem Gedanken an die wohlverdiente Strafe, die
Miss Metcalf treffen würde.
Harriet und Miss Spencer wollten am
folgenden Tag gerade Harriets Cottage verlassen, um dem Anwalt, Mr. Gladstone,
einen Besuch abzustatten, als dieser Herr sie durch sein Auftauchen am
Gartentor überraschte. Froh darüber, sich die Fahrt nach Barminster ersparen zu
können, baten ihn die Damen in den Salon, wo Harriet all ihre Sorgen
heraussprudelte. Mr. Gladstone konnte sie beruhigen. Die geschäftlichen
Angelegenheiten der Güter würden wie bisher geregelt werden; er selbst würde
die Verwaltung des Vermögens über nehmen. Harriet sollte so lange eine Unterstützung
ausbezahlt werden, bis die Zwillinge mündig waren. Und was die Suche nach
einem Haus für die Saison anging - Mr. Gladstone lächelte triumphierend und
brachte aus einer seiner geräumigen Taschen ein zerknittertes Exemplar der Morning Post zum Vorschein.
»Ich habe mir die
Freiheit genommen, auf eine Anzeige in dieser Zeitung zu schreiben«, sagte er.
»Das annoncierte Haus liegt in einer guten Gegend, und der Preis ist sehr
mäßig.«
Er zeigte auf eine
Anzeige in der Zeitung.
Harriet und Miss
Spencer beugten sich vor. Sie lasen:
EIN HAUS FÜR DIE SAISON
Herrenhaus, Clarges Street 67,
Mayfair. Möbliertes Stadthaus.
Gut geschultes Personal.
Miete: 8o Pfund Sterling.
Näheres bei Mr. Palmer, Holborn 25.
»Wunderbar!« sagte Harriet.
»Zu billig für
solch eine Nobeladresse«, meinte Miss Spencer mit besorgtem Stirnrunzeln. »Ich
frage mich, ob da nicht irgend etwas faul an der Sache ist.«
Zweites Kapitel
Es regnete schon seit Wochen ohne Unterlass.
Der Regen gluckste in den Dachrinnen und lief in Strömen die Rinnsteine in der
Mitte der Londoner Straßen hinab. Der Regen trommelte ebenso erbarmungslos in
den Slums von Seven Dials wie in den ruhigen Straßen von Mayfair.
Durch die Clarges
Street arbeitete sich ein Pferdefuhrwerk und pflügte die Wellen des Sturzbachs,
der sich durch die Straße ergoss, dass sie die Außentreppe von Clarges Street
Nummer 67 wie ein Niagarafall im Kleinformat hinabstürzten und einen Schwall
Schmutzwasser über die weißen Seidenstrümpfe des Lakaien Joseph gossen, der die
Tür gerade in diesem Augenblick geöffnet hatte. Er stieß einen heiseren Schrei
aus wie ein empörter Papagei und lief durch die Küche in die Gesindestube
zurück.
»Schaut euch meine
Strümpfe an«, kreischte er. »Schwarz wie Pech.«
»Zieh dir andere
an«, sagte Rainbird, der Butler, gereizt. »Das ist doch kein Weltuntergang.«
Aber Joseph -
groß, blond, verweichlicht und eitel - ließ sich nicht trösten. »Doch, es
ist ein Weltuntergang«, sagte er trauernd, setzte sich neben Rainbird an den
Tisch, zog einen Schnallenschuh aus und leerte das Wasser auf den Boden; dann
zog er einen Strumpf aus
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