03 - Saison der Eifersucht
und betrachtete seinen nackten Fuß so überrascht, als
ob er ihn bisher nie richtig wahrgenommen hätte. »So was von Regen habe ich
noch nie erlebt«, fuhr er in einem Tonfall gequälter Vornehmheit fort. »Regen,
Regen, Regen, und kein Mieter für die Saison.«
»Was das betrifft«,
sagte Rainbird bedachtsam, »so habe ich eine Mitteilung von Jonas Palmer
bekommen, dass er uns heute aufsuchen will. Vielleicht hat er eine gute
Nachricht für uns.«
Mehrere
hoffnungsvolle Augen richteten sich auf ihn. Die Dienerschaft von Nummer 67
hatte gerade ihr Frühstück beendet. Außer Joseph und Rainbird saßen noch um den
Tisch der Koch aus dem schottischen Hochland, Angus MacGregor; Mrs. Middleton,
die Haushälterin; Jenny, das Zimmermädchen und Dave, der Küchenjunge. Es war
eine merkwürdig gemischte Runde, die durch besondere Umstände zu einer
engverbundenen Sippe, ja geradezu Familie, zusammengeschweißt war.
Clarges Street
Nummer 67 galt immer noch als unglückbringende Adresse. Der Besitzer des Hauses
war der zehnte Duke of Pelham, nachdem sich der neunte Duke hier erhängt hatte.
Obwohl es gelungen war, das Haus in den letzten zwei Jahren während der Saison
zu vermieten, hatten die dramatischen Ereignisse, die den Mietern zugestoßen
waren, die elegante Welt davor zurückschrecken lassen, es als Stadtresidenz zu
wählen. Palmer, der Hausverwalter, zahlte den Dienern Hungerlöhne, während er
seinem jungen Herrn höhere in Rechnung stellte. Er hatte anstößige Dinge über
Rainbird und Joseph herausgefunden und drohte, sie zu ruinieren, wenn sie versuchen
sollten, zu gehen. Die Macht, die er über die anderen ausübte, bestand schlicht
und einfach darin, dass er ihnen keine Referenzen gab. Und ohne Referenzen war
es unmöglich, eine Stellung in London zu finden, und auch dann war es noch
schwierig genug. Die Tochter der letzten Mieter, die jetzige Lady Tregarthan,
hatte die Dienerschaft zwar mit wärmsten Empfehlungen versehen, aber sie wussten,
dass kein Haushalt sie allesamt aufnehmen würde; und sie waren einander so
verbunden, dass es ihnen widerstrebte, sich zu trennen. Statt dessen träumten
sie davon, genug Geld anzusparen - um sich ein Wirtshaus kaufen zu können,
das sie gemeinsam betreiben wollten.
Rainbird war der
»Vater« der Familie. Er war ein gestandenes Mannsbild in den Vierzigern mit dem
drahtigen Körper eines Akrobaten und dem Gesicht eines Komödianten. Mrs.
Middleton - das »Mrs.« war in ihrem Fall ein Höflichkeitstitel -
war die Tochter eines Vikars, der sein Geld und seine Stellung verloren hatte.
Sie war, wie die Franzosen das so feinfühlig ausdrücken, eine Frau in einem
gewissen Alter, mit einem verschreckten Kaninchengesicht, das meist von den
riesigen gestärkten Rüschenhauben, die sie so gerne trug, überschattet war. Der
Koch, MacGregor, stammte vom schottischen Hochland und war leicht erregbar -
kurz, er hatte ein Temperament, das seinem feuerroten Haar entsprach. Jenny war
dunkelhaarig, flink, mit raschen, fast hastigen Bewegungen. Im Gegensatz zu dem
Zimmermädchen war Alice, das Hausmädchen, blond und anmutig, mit langsamen,
bedächtigen Bewegungen und einer klangvollen Stimme. Die kleine Lizzie, die nun
nicht mehr so sehr einem verwahrlosten Kind glich wie bei ihrem Dienstantritt,
hatte ein blasses Gesicht, dickes nussbraunes Haar und die großen,
vertrauensvollen Augen eines jungen Hundes. Sie saß neben Joseph, und nicht am
Tischende, an das sie eigentlich gehört hätte - aber die Diener hielten
sich, wenn das Haus nicht vermietet war, nur gelegentlich an die Rangfolge.
Obwohl sie bloß das Spülmädchen war, wurde sie von den anderen mit einer
gewissen rauhen Zuneigung behandelt. Dave, der Küchenjunge, war ein
verhutzelter kleiner Cockney. Er war erst vierzehn, und seine Kinderjahre als Lehrling
eines Kaminkehrers hatten sein Wachstum gehemmt und sein Gesicht früh altem
lassen.
Alle hassten sie
Jonas Palmer, den Agenten des Duke of Pelham. Dabei war es ihnen nicht klar,
dass der junge Duke, der ein größeres Stadthaus am Grosvenor Square bewohnte,
gar nichts von ihnen wußte. Sie hatten gehört, dass der Duke sein Studium an
der Universität Oxford beendet hatte und dass er nun auf der Pyrenäenhalbinsel
Napoleons Truppen bekämpfte.
Obwohl die
Abenteuer der Mieter in den letzten beiden Jahren glimpflich abgelaufen waren,
schien das Haus den Ruf, seinen Bewohnern Unglück zu bringen, nicht verloren zu
haben; und in einer Epoche, in der die Spielleidenschaft
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