03 - Schatten Krieger
Fluch, wenn sie bei ihrem Gang durch die stinkende Dunkelheit Rat ten aufscheuchten, die erschreckt zwischen ihren Füßen davonhuschten.
Nachdem sie ein altes Holztor aufgebrochen hatten, fanden sie einen Zugang, der von den Quartieren der Pferdeknechte an den Stallungen zum Handelshaus führte. Von einer Spülküche aus führte eine Dienstbotentreppe in den ersten Stock hinauf. Das Gebäude hatte sechs Stockwerke und einen Dachboden, so viel wusste Tashil. In den Berichten der Kundschafter war die Rede davon, dass die Bogenschützen der Schwarzen Horde von Baikonen des obersten Stockwerks aus in die Garnison feuerten. Außerdem standen in jedem Stockwerk gepanzerte Wachen. Eine echte Herausforderung für ein lautloses Eindringen. Mit größter Heimlichkeit und auf Umwegen über Fenstersimse erreichten sie schließlich eine stabile Leiter, die zum Dachboden hinaufführte. Mit ihrer Magiersicht erkannte Tashil schnell, dass die Bohlen des Dachbodens entweder verrottet und wurmstichig waren, oder gänzlich fehlten. Sie mussten auf das Spitzdach hinaufklettern und das Gebäude auf diesem Weg überqueren. Zu ihrer Überraschung war das gar nicht so schwierig, denn es gab viele Ziegelpflöcke, die ihnen sicheren Halt boten. Dann erklommen sie den Giebel selbst und kletterten die andere Seite wieder hinunter. So gelangten sie zu der Ecke des Daches, die direkt über den Bogenschützen lag. In dem Gebäude gegenüber lauerten andere Bogenschützen, die in der Dunkelheit kaum zu erkennen waren. Tashil musste jedoch zuerst die auf den unteren Baikonen erledigen und hoffen, dass die Schilde der Gardisten ihr genug Zeit dazu geben würden.
Tashil drehte sich zu dem Mann herum, der den Sack mit den Röhren trug, Habrul, ein Kejaner mit einem kantigen Kinn.
»Fangen wir erst mal mit zweien an«, flüsterte sie.
Habrul nickte, zog ruhig zwei Röhren aus dem Sack und reichte sie ihr. Tashil legte sie vorsichtig auf die Ziegel und stützte sie in der Regenrinne ab. Eine ragte über die Fassade des Hauses hinaus, die andere über die Seite. Eine Pfeilsalve stieg von den unsichtbaren Bogenschützen auf. Tashil erstarrte und hielt einen Moment den Atem an. Dann zog sie die Kappen von den oberen Enden der Röhren und wickelte die Reißleine der vorderen Röhre um ihre Finger. Sie hielt inne und rief sich ins Gedächtnis, wie sich heute Morgen das Knochenmehl aus der Phiole in die graue Substanz gefressen hatte und wie später der Inhalt von Dardans zweiter Phiole innerhalb von Sekunden die Rüstung eines Schwertkämpfers der Schwarzen Horde und in wenigen Sekunden den Mann selbst zersetzt hatte. Es war ein sehr hässlicher Anblick gewesen, aber auch ein sehr erhellender. Danach waren sie zum nächsten Bestattungshain geeilt, hatten einen Karren mit geplünderten Knochen gefüllt und waren zum Erden-Mutter-Tempel in Harring gefahren. Dort hatten sie die Hohepriesterin überredet, sie die vier großen Getreidemühlen benutzen zu lassen, mit denen sie die Knochen zermahlen hatten. Anschließend baten sie die Hohepriesterin, das Mehl zu segnen.
Gesegnetes Knochenmehl, dachte sie als sie sich auf den Angriff vorbereitete. Es klingt zwar absurd, aber es funktioniert …
»Haltet die Schilde bereit«, flüsterte sie und riss an der Leine. Dann packte sie das obere Ende der Röhre und schwang es über die Regenrinne. Das Knochenmehl strömte heraus und sank in fahlen Wolken herunter. Den überraschten Rufen folgten Flüche und dann erstes Keuchen und Angstschreie, aber da sanken schon weitere Mehlwolken auf die Balkone um die Ecke.
Dardan,
sagte sie in Gedankensprache.
Zeit zu reagieren … Jetzt!
Wir sind schon unterwegs, wir sind ja schon unterwegs …
Sie sah aus dem Augenwinkel, wie ein Pfeil auf sie zuschoss, und einen Moment lang glaubte sie, ihrem Tod ins Auge zu sehen … bis der Pfeil in einen Schild hämmerte, der plötzlich herunterzuckte. Holzsplitter flogen ihr um die Ohren, als eine schwarze Pfeilspitze den Schild durchbohrte, nur knapp neben dem Arm des Gardisten. Tashil riss eine weitere Röhre mit Knochenmehl aus dem Sack, zog die Haube ab und beschwor den Gedankengesang der Ramme in ihrem Kopf, während sie die Röhre auf die Bogenschützen auf dem anderen Balkon richtete. Sie riss an der Leine und schickte den Zauber durch die Röhre. Ein Strahl aus Knochenmehl schoss aus dem anderen Ende und zog wie ein Komet einen Schweif in der Dämmerung hinter sich her. Er wölbte sich über die Straße und prallte an die Mauer
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