03 - Schatten Krieger
Bogenschützen hastig mit einer Evakuierung begonnen hatte, waren Hunderte, vielleicht Tausende schon im ersten tödlichen Pfeilhagel ums Leben gekommen. Jetzt war der Norden der Stadt fast gänzlich verlassen, nur einige Häuser und Besitzungen am Stadtrand waren von Kranken und Alten überschwemmt sowie von Kindern, die ihre Eltern verloren hatten. Über die Hauptstraßen quoll ein stetiger Strom von Flüchtlingen, um den Banditen und Plünderer wie Mistfliegen kreisten, die von Aas angezogen wurden.
Und all das in kaum einem Tag, dachte Tashil. Vom Auftauchen von Vashad und seiner Schwarzen Horde heute Morgen bis zur Einkesselung der Schleuse von Hubranda waren erst wenige Stunden verstrichen. Die Pfeilsalven, die von den Bogenschützen der Schwarzen Horde über den Vaale gefeuert worden waren, hatten wie erwartet verschiedene tödliche Eigenschaften besessen. Einige Pfeile waren bei ihrem Aufprall zu Feuerbällen explodiert, welche Dächer in Brand gesetzt hatten, andere trugen rasiermesserscharfe Dornen an sich, die auseinander platzten, sobald sie in den Körper eines Opfers eindrangen. Andere schienen beinahe lebendig zu sein. Sie gruben sich in den Körper und töteten von innen, während wieder andere auseinander brachen und Wolken von giftigen Insekten freisetzten.
Nach diesem gefiederten Grauen überquerte der Hauptteil der Schwarzen Horde den Vaale auf Barken, die sie an den Silbernen Kais und den anderen Piers und Molen erbeutet hatten. Unorganisiert und ohne klare Befehle hatten einige Abteilungen der Stadtwache sich auf die erste Angriffswelle der Eindringlinge gestürzt. Sie waren in Stücke gehauen worden. Dasselbe widerfuhr Baron Cortain, der dreißig Ritter der Schweren Kavallerie von Roharka gegen sie warf. Nur zwei Rittern gelang es, den Hellebarden und Streitäxten der Feinde zu entgehen. Die restlichen Stadtwachen und Soldaten der kaiserlichen Truppen waren entweder nach Norden und Westen geflohen oder hatten Schutz hinter den festen Mauern der Schleuse von Hubranda gesucht. Während Dardan und Inryk Majordomo Roldur bei der Verteidigung halfen, hatten sich Tashil, Sounek und Dybel auf die Suche nach der Hohepriesterin des Erden-Mutter-Tempels nördlich von Sejeend gemacht. Auf ihrem Rückweg führten sie auf einem Karren eine gruselige Fracht mit sich.
»Gut, wir sind hier fast fertig«, sagte Sounek hinter ihr.
Tashil wandte sich vom Fenster ab und sah, wie Dybel ein Tuch über dem Ende einer nicht ganz mannshohen, hohlen Röhre befestigte, die er dann in einen Segeltuchsack legte, indem sich bereits neun oder zehn dieser Röhren befanden. Auf dem Boden neben der Tür standen schon drei weitere Säcke mit demselben Inhalt.
Tashil nickte. »Gut. Sind die Späher schon mit neuen Vorschlägen für einen sicheren Weg zurückgekehrt?« Sounek lachte. »Bislang ist jeder Weg so gut oder schlecht wie der andere«, erwiderte er. »Man kann sich den Toren der Schleuse von Hubranda von Norden oder Süden nähern, über schmale Gassen oder vom Westen, über die Prachtallee mit den Statuen … Es spielt keine Rolle, weil die Truppen der Schwarzen Horde überall sind. Sie haben zudem noch mehr Bogenschützen auf den Dächern und den Baikonen in der Nähe der Garnison postiert, sodass jeder, der sich der Schleuse nähert, ebenso von ihnen wie von den Truppen auf den Straßen angegriffen werden kann.«
»Deshalb müssen wir eine Gruppe mit einem der Säcke auf die Dächer schicken, von denen aus man die nördliche Route überblicken kann«, meinte Tashil.
»Das ist eine sehr exponierte Stellung«, gab Dybel zu bedenken. »Selbst nach Sonnenuntergang.« »Das weiß ich«, erwiderte Tashil. »Deshalb werde ich diese Gruppe auch anführen.«
Sounek und Dybel widersprachen nachdrücklich und führten eine Vielzahl von Gründen ins Feld, aus denen sie für diese Aufgabe besser geeignet wären. Sie wetteiferten förmlich darum. Eine knappe Stunde später war es dennoch Tashil, die sechs verlässliche Gardisten mit Schilden auf ihrem Rücken durch die Hinterhöfe einer verlassenen Häuserreihe führte. Sie schloss sich an die Lager und Warenschuppen der Handelshäuser an, die gegenüber der Schleuse von Hubranda lagen. Das schwächer werdende Licht bot ihnen zwar Schutz vor aufmerksamen Augen, aber es verbarg auch die Gefahren unter ihren Füßen, wie zum Beispiel den verrottenden Abfall überquellender Misthaufen und das Ungeziefer, das davon angezogen wurde. Mehr als einmal unterdrückte Tashil einen
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