03 - Schatten Krieger
würde. Die Traumhöfe des Großen Schatten erstarrten mitten in einer Veränderung zu einem bizarren Labyrinth aus verdrehten Häusern und verzerrten Straßen, wie die Ausgeburt eines wahnsinnigen Architekten. Die Dämonenbrut hatte bereits die Lage der Schattenportale ausfindig gemacht. Vier davon waren über die zehn Bastionen auf den Klippen verteilt, das fünfte hatten sie im dreißigsten Stock der Zitadelle gefunden. Schließlich tauchte Calabos tatsächlich auf. Er wurde auf einer improvisierten Sänfte getragen und von einer riesigen Menschenmenge begleitet. Es waren Tausende und Abertausende von erschöpft wirkenden Männern und Frauen. Als Qothan vorschlug, mit ihm und der Dämonenbrut sofort zum nächsten Schattenportal zu eilen, lehnte Calabos ab. Er wollte vorher sicherstellen, dass die Flüchtlinge eine sichere Zufluchtsstätte fanden. Fast alle waren ehemalige Gefangene des Weißen Gefängnisses und hätten daher Frieden und Schutz verdient. Während Viras und Yostil sie in Gruppen durch die Zitadelle nach unten führten, suchte Qothan Kerna und Nilka auf, die zustimmten, den ehemaligen Gefangenen einen sicheren Zufluchtsort weit ab von den Kämpfen zu suchen. Beinahe drei Tage später verließen die Letzten von ihnen die Zitadelle. Calabos' Genesung hatte mittlerweile gute Fortschritte gemacht. Drei Tage nach der Gefangennahme und dem Exil des Großen Schatten, in das ihn Corlek Ondene und der Gott Tauric begleitet hatten, war das fürchterliche Beben zu einem gelegentlichen Zittern des Erdbodens abgeebbt, und es wurde heller. Selbst die Luft roch frischer. Nach weiteren drei Tagen war nur noch das Schattenportal in der Zitadelle offen, also sah auch Calabos ein, dass es Zeit wurde, zu verschwinden. Ob während der vielen Tage im Nachtreich wohl in der Welt, die seine Heimat war, wenige Stunden vergangen sein mochten? Von der Plattform auf dem Dach der Zitadelle aus ließ er seinen Blick noch einmal über die endlose Stadtlandschaft des Nachtreichs gleiten, hob zum Abschied die Hand und folgte dann der Dämonenbrut hinab in die Zitadelle des Zwielichts, um den Rückweg anzutreten. Als die Dämonenbrut Besarl und seine drei Gefährten knapp einen Tag nach der Vernichtung der Fäulnis und der Schwarzen Horde vor Besh-Darok auf Belkiols zentralem Marktplatz landeten, erkundigte sich Tashil Akri nach Calabos' Freund Coireg. Die Dämonenbrut war jedoch nicht sonderlich mitteilsam.
»Wir haben geschworen, das wenige, das wir wissen«, erklärte Besarl, »nicht zu erhüllen, Lady. Nicht einmal unseren Brüdern und Schwestern an Bord der
Sturmklaue
werden wir von unseren Erfahrungen berichten. Wir haben einen Heiligen Eid geleistet.«
Das konnte Tashil nur akzeptieren, und obwohl die Neugier an ihr nagte, war sie mit anderen Dingen beschäftigt, zum Beispiel dem Wiedersehen mit ihrer Familie. Als sie ihre Tanten und ihren Vater unter den Gefangenen im Tempel gesehen hatte, Schlingen um Hals und Gliedmaßen, hatte sie einen schrecklichen Moment der Furcht durchlebt, die schließlich freudiger Erleichterung gewichen war. In den Stunden danach, als die Schwarze Horde nach Belkiol zurückkehrte und erbitterte Kämpfe in den nördlichen Außenbezirken der Stadt ausbrachen, hatte sie beschlossen, bei ihrer Familie zu bleiben, sollten ihre Verwandten und sie selbst überleben. Nur einen Tag nach der Niederlage und vollkommenen Vernichtung der Invasoren hatte ihr Vater erklärt, dass die Akri-Familie so schnell wie möglich nach Nord-Khatris aufbrechen würde. Als er Tashil aufforderte, mitzukommen, sah die sich in der zerstörten Stadt um, betrachtete die Häuser und Hallen, die Flüchtlinge und Verwundeten, und entschied sich, doch zu bleiben. Zudem stand Atemors Tod zwischen ihnen, und es fiel Tashil leichter, sich zu verabschieden, als sie es erwartet hätte.
Nachdem ihre Familie Belkiol verlassen hatte, half Tashil den Heilern so gut sie konnte, kümmerte sich um die provisorischen Unterkünfte oder übersetzte für Jarryc, der sich bemühte, das Verhältnis zu den Häuptlingen und Ältesten der Mogaun zu festigen.
Zwei Tage später erhielt sie eine Nachricht von Dardan und Sounek, in der die beiden sie fragten, ob sie rasch zurückkehren und an einem Konzil teilnehmen könnte, das von mehreren Adligen einberufen worden war, um die Nachfolge zu entscheiden. Ilgarion und Tangaroth hatten bei ihrem Tod keine Thronfolger hinterlassen, also drohte die Gefahr eines blutigen Machtkampfes, den die Wächter und
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