03 - Sinnliche Versuchung
die Umstände ihrer gemeinsamen
Kindheit hatten dafür gesorgt. Sie lebte sorglos von der Apanage, die
Sebastian ihr ausgesetzt hatte. Durch eigene Investitionen hatte sie einiges
Kapital angehäuft, das es ihr erlaubte, ein bescheidenes Stadthaus in London zu
kaufen. Ihre neueste Erwerbung war ein hübsches kleines Landhaus in Bath.
Julianna war stolz
auf ihre Errungenschaften. Sie hatte neue, unerwartete Eigenschaften an sich
entdeckt, Wie Unternehmungsgeist und Selbstständigkeit. Auslöser war vor
langer Zeit jener Abend gewesen, an dem Thomas und Clarice aus Gretna Green
zurückgekehrt waren. Schuldbewusst und zerknirscht hatte Thomas sie
aufgesucht.
»Ich weiß, meine
Heirat mit Clarice muss dich furchtbar getroffen haben«, sagte er. »Ich habe
keine Entschuldigung vorzubringen, außer einer ... Clarice erwartet ein Kind
von mir, Julianna.«
Stumm und wie
versteinert hörte Julianna zu, als Thomas erzählte, wie Clarice am Abend vor
der Hochzeit - der Tag, an dem Julianna und Thomas heiraten wollten -
tränenüberströmt zu ihm gekommen sei.
»Was ich getan
habe, kann ich nicht leugnen, Julianna. Clarice und ich sind seit unserer
Kindheit befreundet. Wir haben uns in einem Augenblick der Schwäche hinreißen
lassen. Es war ein Fehler. Ich wusste es. Aber ich sagte mir, du würdest es
niemals erfahren. Clarice und ich versprachen einander, uns nicht mehr zu
treffen. Aber als sie zu mir kam und gestand, dass sie schwanger war, konnte
ich sie nicht abweisen. Ehre und Pflicht verlangten, dass ich das Richtige tat
und Clarice heiratete. Bis zum Ende meiner Tage wird es mir leid tun, wenn ich
dir wehgetan habe, Julianna. Aber ich konnte nicht anders handeln.«
Wenn er ihr wehgetan
hätte. Er wusste, dass es so war, dass sie ihn wahnsinnig liebte . .. Und Ehre und
Pflicht. Natürlich waren das Dinge, die Julianna nachvollziehen konnte, wie
ihre Brüder. Das war auch der Grund, der Justin davon abhielt, sich mit ihm zu
duellieren. Oh, ja, und ob sie verstanden hatte ...
Aber es fiel ihr
nicht leicht, ihm diesen Verrat zu vergeben.
Sie würde es nie
vergessen. Niemals.
Schmerz und
Bitterkeit hatten nachgelassen, bis auf den kleinen Stachel, den sie noch ab
und zu in ihrem Herz spürte. Aber kein Mann würde ihr jemals wieder den Kopf
verdrehen. Sie würde nicht mehr so leichtgläubig und vertrauensvoll sein. Sie
würde lieber allein leben, als nur um der Heirat willen zu heiraten.
Trotz der
schrecklichen Umstände ihrer Kindheit - die Mutter hatte sie verlassen
und der Vater seine Kinder vernachlässigt - hatte Julianna den Glauben
an die Unverletzbarkeit der Ehe nicht verloren. Samariter hatte Sebastian sie
manchmal scherzhaft genannt, lieb und weichherzig, immer bereit, den anderen zu
helfen.
Es stimmte,
sinnierte sie. Oh, ja, es lag in ihrer Natur, Frau und Mutter zu sein. Das
hatte sie sich damals zusammengereimt, als ihre Mutter mit ihrem Liebhaber davonlief
und Julianna sich vornahm, alles zu sein, was ihre Mutter nicht gewesen war.
Seit damals hatte sie beschlossen, nur aus Liebe zu heiraten. Mit den Jahren
wurde der Wunsch nach einem Mann und Kinder stärker. Ihr schien, als ob sie
ihren Hochzeitstag bereits ein Leben lang geplant hatte.
Sonderbarerweise
schmerzte es sie nicht mehr, an diesen Tag zu denken.
Was aber schmerzte,
war die Vorstellung keine eigenen Kinder zu haben.
Denn einen Ehemann
würde es nicht geben.
Es hatte lange
gedauert, diesen Schmerz anzunehmen und ihn für alle Zeit in ihrer Brust zu
verschließen. Nie würde sie die Freude erfahren, ein Kind an die Brust zu
drücken ... ihr Kind. Eine Ehe kam für sie nicht mehr infrage. So hatte
sie den Wunsch nach einem Kind begraben.
Es war
ausgeschlossen.
Nein, sie hatte
ihre Sorglosigkeit und Unbefangenheit verloren. Von allen Elstern dieser Welt
würde auch diese Elster ihren Teil einstecken müssen.
»Soviel ich weiß,
hat man im ganzen Königreich von der Elster gehört«, erwiderte sie obenhin.
Mrs Chadwick
blickte sie prüfend an. »Fürchten Sie sich nicht?«
»Vor einem Mann,
den ich nicht sehen kann, der mir nicht begegnet ist?« Lächelnd schüttelte
Julianna den Kopf.
»Nun, wenn er durch
diese Tür in die Kutsche springen würde ...« sie nickte, »dann wäre ich
vielleicht anderer Meinung.«
»Oh, aber Sie
sollten sich fürchten! Dieser Klunker an Ihrem Hals ist beachtlich. Mit
Vergnügen würde er Sie darum erleichtern. Von
dem und vielem mehr.« Mrs Chadwick nickte wissend.
Julianna hob die
Brauen.
»Oh,
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