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03 - Tod im Skriptorium

03 - Tod im Skriptorium

Titel: 03 - Tod im Skriptorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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sie erreichten.
    Plötzlich hörten sie das schrille Weinen eines Babys. Fidelma sah sich rasch um und versuchte festzustellen, woher es kam. Cass war ihr schon voraus und kletterte den Hang zum Waldrand hinter der ausgebrannten Herberge hinauf.
    Fidelma blieb nichts weiter übrig, als ihm nachzueilen.
    Im Gebüsch bewegte sich etwas, und Cass langte hinein und packte etwas, das sich in seinem Griff wandte und schrie.
    »Gott bewahre uns!« flüsterte Fidelma.
    Es war ein Kind von kaum acht Jahren, schmutzig und zerlumpt, das vor Furcht kreischte.
    Weiter oben kam eine junge Frau unter den Bäumen hervor. Ihr Gesicht war von Ruß und Schmutz verschmiert.
    Angst spiegelte sich darin. In den Armen hielt sie einen weinenden Säugling, und an ihren Rock klammerten sich zwei kleine rothaarige Mädchen, offenkundig Schwestern. Hinter ihr standen zwei dunkelhaarige Knaben. Sie alle waren sichtlich verstört.
    Fidelma sah, daß die Frau kaum über zwanzig war, sie trug das Gewand einer Nonne. Obwohl das Baby es fast verdeckte, bemerkte Fidelma ein großes und ungewöhnlich geformtes Kruzifix. Es war eher im römischen Stil gearbeitet als im irischen, reich verziert und mit Halbedelsteinen besetzt. Trotz ihrer Jugend war die junge Frau von molliger Gestalt. Sie hatte ein rundes Gesicht und hätte normalerweise beschützende Mütterlichkeit ausgestrahlt, jetzt aber zitterte sie am ganzen Leibe.
    »Schwester Eisten!« rief Cass überrascht aus. »Hab keine Angst. Ich bin es, Cass von Cashel. Ich habe in deiner Herberge gewohnt, als ich vor sechs Monaten durch dieses Dorf kam. Erinnerst du dich nicht an mich?«
    Die junge Nonne musterte ihn eingehend und schüttelte den Kopf. Doch etwas Erleichterung schien sich in ihrem Gesicht abzuzeichnen, als sie ihre dunklen Augen fragend auf Fidelma richtete.
    »Ihr seid nicht von Intat? Ihr gehört nicht zu seiner Schar?« fragte sie ängstlich.
    »Wer Intat auch ist, wir gehören nicht zu seiner Schar«, antwortete Fidelma. »Ich bin Schwester Fidelma von Kildare. Mein Gefährte und ich sind auf der Reise zur Abtei Ros Ailithir.«
    Die Muskeln im Gesicht der jungen Schwester begannen sich zu entspannen. Sie versuchte, die Tränen zurückzuhalten.
    »Sind … sind sie … weg?« stieß sie endlich hervor. Ihre Stimme zitterte vor Furcht.
    »Anscheinend sind sie fort«, beruhigte Fidelma sie. Sie trat vor und wollte ihr das Baby abnehmen. »Komm, du siehst völlig erschöpft aus. Gib mir das Kind, damit du dich ausruhen und uns erzählen kannst, was passiert ist. Was waren das für Leute?«
    Schwester Eisten fuhr zurück, als wolle sie jede Berührung vermeiden. Sie hielt das Baby nur noch fester.
    »Nein! Faßt keinen von uns an.«
    Fidelma hielt verblüfft inne.
    »Was heißt das? Wir können euch nicht helfen, ehe wir nicht wissen, was hier geschieht.«
    Schwester Eisten starrte sie aus großen Augen an.
    »Die Pest, Schwester«, flüsterte sie. »Wir hatten die Pest in unserem Dorf.«
    Der Griff, mit dem Cass unbewußt den noch immer zappelnden Jungen festhielt, verlor plötzlich an Kraft. Cass erstarrte. Der Junge riß sich los.
    »Pest?« flüsterte Cass und trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Er war sichtlich beunruhigt von der Bestätigung, daß hier die Pest umging.
    »Also gab es doch Pest im Dorf?« fragte Fidelma.
    »Mehrere Leute starben in den letzten Wochen daran. Mich hat sie Gott sei Dank verschont, aber andere sind ihr erlegen.«
    »Sind unter euch welche krank?« fragte Cass eindringlich und musterte besorgt die Kinder.
    Schwester Eisten schüttelte den Kopf.
    »Intat und seinen Männern war das auch egal. Wir wären alle gestorben, wenn wir uns nicht versteckt hätten …«
    Fidelma starrte sie mit wachsendem Entsetzen an.
    »Ihr wärt niedergemacht worden, ob ihr nun die Pest hattet oder nicht? Erklär mir das! Wer ist dieser Intat?«
    Schwester Eisten unterdrückte ein Schluchzen. Sie war nahe am Zusammenbrechen. »Vor drei Wochen gab es die ersten Pestkranken im Dorf. Die Pest nahm weder auf Geschlecht noch Alter Rücksicht.«
    Fidelma ließ den Blick von dem Baby, das nur ein paar Monate alt sein konnte, zu den wohl neunjährigen rothaarigen Mädchen wandern. Der blonde kleine Junge, der Cass entwichen war und sich hinter Schwester Eisten verschanzt hatte, war auch etwa in dem Alter. Die beiden größeren Jungen mit ihren finsteren Gesichtern, ihrem schwarzen Haar und mißtrauischen grauen Augen waren älter. Der eine mochte kaum über zehn Jahre sein, der

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