03 - Tod im Skriptorium
lediglich eine Reflektion des durch die schweren Wolken brechenden Sonnenlichts. Aber worin sollte es sich spiegeln? Einige Augenblicke später begriff sie, was sie da sah.
»Da drüben brennt es, Cass!« rief sie und zeigte in die Richtung. »Es ist ein großes Feuer, glaube ich.«
Cass folgte ihrer ausgestreckten Hand mit scharfen Augen.
»Tatsächlich ein großes Feuer, Schwester. In der Richtung liegt ein Dorf. Ein armer Weiler mit einer Mönchszelle und einem Dutzend Häusern. Ich kam vor sechs Monaten dort durch, als ich in dieser Gegend war. Es heißt Rae na Scríne, das Heiligengrab an der ebenen Stelle. Was kann da brennen? Sollten wir nachsehen?«
Fidelma zögerte. Ihre Aufgabe war es, so schnell wie möglich nach Ros Ailithir zu gelangen.
Cass runzelte die Stirn bei ihrem Zaudern.
»Es liegt auf unserem Wege nach Ros Ailithir, Schwester, und in der Zelle wohnt eine junge Nonne, Schwester Eisten. Vielleicht ist sie in Not.« Sein Ton klang vorwurfsvoll.
Fidelma errötete, sie kannte ihre Pflicht. Nur ihre größere Verantwortung gegenüber dem Königreich Muman hatte sie unsicher gemacht.
Statt einer Antwort stieß sie ihrem Pferd die Hacken in die Flanken und trieb es an, gekränkt von Cass’ leichtem Tadel ob ihrer Unentschlossenheit.
Sie brauchten einige Zeit, bis sie eine Stelle auf einem kleinen, dicht bewaldeten Hügel erreichten, von wo sie das Dörfchen Rae na Scríne überblicken konnten. Alle Gebäude schienen in Flammen zu stehen, eine schwarze Säule aus Rauch und Brandstücken erhob sich über ihnen. Fidelma parierte ihr Pferd, und Cass rammte sie beinahe. Ein Dutzend Männer mit Schwertern und Brandfackeln in den Händen liefen im Dorf umher. Sie waren offensichtlich die Brandstifter. Ehe Fidelma noch reagieren konnte, bewies ihnen ein wilder Ruf, daß man sie erspäht hatte.
Fidelma wollte Cass warnen und zum Rückzug veranlassen, falls die Männer Feinde wären, doch da bemerkte sie eine Bewegung hinter ihnen bei den Bäumen, die den Weg säumten.
Zwei Männer waren mit gespannten Bogen auf den Weg getreten und zielten auf sie. Sie schwiegen. Es gab nichts zu sagen. Cass wechselte einen Blick mit Fidelma und zuckte nur die Achseln. Sie verhielten sich ruhig und warteten ab; zwei oder drei Männer, die offensichtlich mit das Dorf in Brand gesteckt hatten, stürmten nun den Hügel herauf und blieben vor ihnen stehenblieben.
»Wer seid ihr?« fragte ihr Anführer, ein großer, rotgesichtiger Kerl mit schmutz- und rußbedecktem Gesicht. Er hielt ein Schwert in der Hand, aber nun keine Brandfackel mehr in der anderen. Er trug eine stählerne Sturmhaube auf dem Kopf, einen pelzbesetzten Wollmantel und eine goldene Amtskette. Seine hellen Augen glänzten vom Kampffieber.
»Wer seid ihr?« schrie er wieder. »Was habt ihr hier zu suchen?«
Fidelma starrte ungerührt hinab auf die drohende Gestalt. Ihre gespielte Verachtung verbarg ihre Furcht.
»Ich bin Fidelma von Kildare; Fidelma von den Eóganachta von Cashel«, fügte sie hinzu. »Und wer bist du, daß du Reisende auf der Landstraße anhältst?«
Die Augen des großen Mannes weiteten sich leicht. Er trat einen Schritt vor und betrachtete sie genau, ohne zu antworten. Dann musterte er Cass mit der gleichen Aufmerksamkeit.
»Und du? Wer bist du?« Er stellte die Frage so barsch, um zu zeigen, daß ihn die Verwandtschaft Fidelmas mit den Königen von Cashel überhaupt nicht beeindruckte.
Der junge Krieger lockerte den Mantel, damit der goldene Halsreif zu sehen war.
»Ich bin Cass, Vorkämpfer des Königs von Cashel«, sagte er mit all der kühlen Arroganz, die er in seine Stimme legen konnte.
Der rotgesichtige Mann trat zurück und bedeutete seinen Leuten, die Waffen zu senken.
»Dann macht euch auf euren Weg. Reitet fort von hier, seht euch nicht um, dann passiert euch auch nichts.«
»Was geht hier vor?« fragte Fidelma und wies auf die brennenden Häuser.
»Der Fluch der Gelben Pest ist auf den Ort gefallen«, erklärte der Mann scharf. »Wir brennen ihn aus, das ist alles. Nun reitet los!«
»Aber was ist mit den Menschen?« protestierte Fidelma. »Auf wessen Befehl tut ihr das? Ich bin eine dálaigh am Brehon-Gericht und Schwester des Thronfolgers von Cashel. Sprich, Mann, oder du mußt dich vor den Brehons von Cashel verantworten.«
Der Rotgesichtige kniff die Augen zusammen bei dem scharfen Ton der jungen Frau. Er schluckte einen Augenblick und starrte sie an, als könne er seinen Ohren nicht trauen. Dann sagte er
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