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03 - Tod im Skriptorium

03 - Tod im Skriptorium

Titel: 03 - Tod im Skriptorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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einen der schwarzhaarigen Jungen aus Rae na Scríne in den Armen. Es war Cosrach, der jüngere der beiden Knaben. Schwester Eisten summte ihm ein Wiegenlied vor. Der Knabe lag leise schluchzend in ihren Armen. Schwester Eisten schien die drei an der Tür nicht wahrzunehmen.
    Es war der ältere Bruder, der andere schwarzhaarige Junge, der hinter Schwester Eisten stand und nun aufsah und ihnen sein finsteres Gesicht zuwandte. Er drängte die drei unmerklich zur Tür hinaus, folgte ihnen und schloß die Tür hinter sich. Trotzig reckte er das Kinn vor, offenbar verärgert über ihr Eindringen.
    »Wir hörten einen Schrei, Junge«, fuhr ihn Bruder Rumann an.
    »Es war mein Bruder, der geschrien hat«, antwortete der Junge mürrisch. »Er hatte einen Alptraum, weiter nichts. Jetzt ist alles in Ordnung. Schwester Eisten hat ihn gehört und ihn wieder beruhigt.«
    Fidelma beugte sich vor, lächelte ihn an und versuchte sich an seinen Namen zu erinnern.
    »Na, ein Segen … du heißt Cétach, nicht wahr?«
    »Ja.« Sein Ton war knurrig, beinahe abweisend.
    »Sehr gut, Cétach. Dein Bruder und du, ihr habt Schlimmes erlebt. Aber jetzt ist es vorbei. Ihr braucht euch keine Sorgen mehr zu machen.«
    »Ich mache mir keine Sorgen«, erwiderte der Junge verächtlich. »Aber mein Bruder ist kleiner als ich. Er kann nichts für seine Träume.«
    Fidelma hatte den Eindruck, daß sie zu einem Mann spräche und nicht zu einem Jungen. Cétach wirkte sehr reif für sein Alter.
    »Natürlich nicht«, gab sie ihm recht. »Du mußt deinem Bruder klarmachen, daß ihr nun unter Freunden seid, die für euch sorgen.«
    Der Junge wartete einen Augenblick und sagte dann: »Darf ich jetzt zu meinem Bruder zurück?«
    Die beiden Jungen würden Zeit brauchen, um über ihre Erlebnisse hinwegzukommen, dachte Fidelma. Sie lächelte wieder, diesmal etwas unaufrichtig, und nickte zustimmend.
    Als sich die Zimmertür hinter dem Jungen schloß, schnalzte Bruder Rumann besorgt mit der Zunge, ehe er den Korridor entlang zurückeilte.
    Fidelma ging langsam zur Treppe zurück. Cass paßte seinen Gang ihren kürzeren Schritten an.
    »Arme Kinder«, bemerkte Cass. »Ich hoffe, Salbach findet diesen Intat bald und bestraft ihn und seine Leute.«
    Fidelma nickte zerstreut.
    »Wenigstens scheint die Not des Jungen bewirkt zu haben, daß Schwester Eisten wieder auf etwas reagiert. Um sie habe ich mir mehr Sorgen gemacht als um die Kinder. In ihrem Alter hat man noch die Kraft, über so etwas hinwegzukommen. Aber Eisten nahm den Tod des Babys heute morgen sehr schwer.«
    »Es gab nichts, was sie für den Säugling hätte tun können«, erwiderte Cass. »Selbst wenn wir nicht gezwungen gewesen wären, die Nacht im Freien zu verbringen, wäre das Kind sicher gestorben. Ich habe gesehen, daß es die Gelbe Pest hatte.«
    »Deus vult« , antwortete Fidelma automatisch mit einem Fatalismus, der ihr eigentlich nicht entsprach. Es ist Gottes Wille.
     
    Der Ruf der Glocke zur Vesper, der sechsten kanonischen Stunde, ließ Fidelma widerwillig aus ihrem tiefen Schlaf erwachen. Sie lauschte dem Geläut und wußte, daß es zu spät war, sich den Brüdern und Schwestern in der Abteikirche anzuschließen, also zwang sie sich, aufzustehen und das übliche Gebet zu sprechen. Meist wurden die Rituale der Kirche in den fünf Königreichen noch auf Griechisch vollzogen, der Sprache des Glaubens, in der die Heiligen Schrift abgefaßt war. Viele benutzten jetzt aber schon das Lateinische, die Sprache Roms. Latein löste Griechisch als die Sprache der Kirche ab. Fidelma bereitete es keine Mühe, von einer Sprache in die andere zu wechseln, denn sie konnte ebensogut Latein wie Griechisch und ein wenig Hebräisch. Außerdem beherrschte sie neben ihrer Muttersprache noch die Sprachen der Briten und der Sachsen.
    Nachdem sie ihrer religiösen Pflicht genügt hatte, ging Fidelma zu einer Waschschüssel, die auf dem Tisch in ihrem Zimmer stand, und wusch sich rasch mit dem fast eiskalten Wasser. Sie trocknete sich kräftig ab, bevor sie sich ankleidete. Als sie fertig war, trat sie auf den Gang hinaus. Die Tür von Cass’ Zimmer stand offen, und es war leer, also ging sie den Gang entlang, der nun nach Einbruch der Dunkelheit von ein paar flackernden Kerzen erhellt wurde, die in abgeschirmten Haltern an den Steinwänden steckten.
    »Ach, Schwester Fidelma.« Es war die schnaufende Gestalt von Bruder Rumann, die aus der Dunkelheit auftauchte, als sie die Treppe zur Haupthalle im Erdgeschoß des

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