03 - Tod im Skriptorium
denn?« fragte Fidelma.
»Der Großkönig kommt hierher. Die ganze Abtei redet nur noch davon.«
»Ach das!« meinte Fidelma geringschätzig.
»Ich dachte, das wäre wichtig für dich. Dir bleibt nicht mehr viel Zeit, die Verteidigung Mumans gegen die Ansprüche Laigins vorzubereiten.«
»Wirklich, Cass, ich brauche nicht an meine Verantwortung erinnert zu werden«, erwiderte Fidelma. »Es gibt eine schlimmere Neuigkeit als die von der bevorstehenden Ratsversammlung: jemand hat ein paar unserer Beweisstücke aus Broccs Zimmer gestohlen. Anscheinend hat der Trottel von Abt mehreren Leuten gegenüber erwähnt, daß ich sie bei ihm gelassen habe.«
»Wieso nur ein paar der Beweisstücke?« fragte Cass. »Warum hat man nicht den ganzen Beutel gestohlen?«
Fidelma begriff sofort die Bedeutung seiner Worte. Sie hatte das Nächstliegende übersehen. Nur der Ogham-Stab und das Pergament fehlten. Die Fesseln und Grellas Rock, von dem sie abgerissen wurden, waren jedoch noch da. Warum war der Dieb so wählerisch vorgegangen?
Sie überlegte einen Moment.
»Wo willst du jetzt schon wieder hin?« fragte Cass, als Fidelma plötzlich zur Abteikirche loslief.
»Es gibt etwas, das ich hätte tun sollen, bevor wir nach Sceilig Mhichil aufbrachen«, rief sie über die Schulter zurück. »Schwester Necht hat mich gerade daran erinnert.«
»Schwester Necht?«
Cass trottete hinter ihr her. Fidelmas plötzliche Einfälle machten ihm zu schaffen. Er wünschte, sie wäre mitteilsamer und weniger spontan.
»Mir scheint, wir rennen hierhin und dorthin, aber je mehr wir hin- und herrennen, desto weniger nähern wir uns unserem Ziel«, beklagte er sich. »Ich dachte, unsere Vorfahren hätten uns gelehrt, daß Geschäftigkeit nicht unbedingt Fortschritt bedeutet.«
Fidelma hatte im Moment wirklich andere Sorgen und ärgerte sich über die Bemerkung des Kriegers.
»Wenn du die Morde aufklären kannst, indem du im Zimmer sitzt und die Wand anstarrst, dann tu es bitte.«
Ihr Ton ließ Cass zusammenzucken.
»Ich sag ja gar nichts dagegen, aber was soll uns ein Besuch der Abteikirche bringen?«
»Wart’s ab«, erwiderte Fidelma kurz.
Als sie die Stufen hinaufstiegen, kam ihnen Bruder Rumann entgegen.
»Ich habe gehört, ihr seid aus Sceilig Mhichil zurück«, begrüßte er sie. »Wie war die Reise? Habt ihr etwas erfahren?«
»Die Reise war schön«, antwortete Fidelma ruhig, »aber woher weißt du, daß wir nach Sceilig Mhichil gefahren sind?«
Sie hatte sorgfältig darauf geachtet, nicht einmal ihrem Vetter Brocc zu verraten, wohin sie wollten. Niemand in der Abtei konnte es also wissen. Sie war sofort auf der Hut.
Rumann blickte verlegen drein.
»Ich weiß nicht. Irgend jemand hat es erwähnt. Es könnte Bruder Midach gewesen sein. War das Ziel deiner Reise etwa geheim?«
Fidelma gab darauf keine Antwort, sondern wechselte das Thema.
»Ich habe gehört, das Grab des heiligen Fachtna befindet sich in der Abteikirche. Kannst du mir sagen, wo es ist?«
»Natürlich.« Rumann wuchs förmlich vor Stolz. »Es ist das Ziel von Pilgerfahrten am vierzehnten Tag des Lunasa-Festes, seinem Feiertag. Ich zeige es dir, Schwester.«
Keuchend eilte er das lange Hauptschiff entlang und durch das Querschiff zum Hochaltar.
»Wißt ihr, daß Fachtna blind war, als er an diesen Ort kam, und mit Hilfe eines großen Wunders hier in Ros Ailithir wieder sehend wurde? Zum Dank erbaute er diese Abtei.« erzählte Rumann.
»Ich weiß«, antwortete Fidelma, ließ sich aber von der Begeisterung des Verwalters für dieses Thema nicht anstecken.
Rumann führte Fidelma und Cass die Stufen zum Hochaltar hinauf und dann um ihn herum in die Apsis, den gewölbten halbrunden Raum hinter dem Altar, wo ein Priester oder der Abt selbst die Zeremonie der »Entlassung« nach den Riten der Kirche vorzunehmen pflegte. In den Boden der Apsis war eine große Sandsteinplatte eingelassen, die etwa eine Handbreit über ihn hinausragte. Merkwürdigerweise stand am Kopfende der Platte auf einem kleinen Steinsockel die Statue eines Cherub. Am Fußende befand sich ein ähnlicher Sockel mit einem Seraph darauf.
»Ihr seht nur ein einfaches Kreuz«, erklärte ihnen Rumann, »und den Namen Fachtna in der alten Ogham-Schrift.«
»Kannst du Ogham lesen?« fragte Fidelma harmlos.
»Meine Rolle als Verwalter der Abtei verlangt von mir die Kenntnis vieler Wissensgebiete.« Rumanns rundliches Gesicht drückte Selbstzufriedenheit aus.
Fidelma wandte sich wieder der Steinplatte
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