03 - Tod im Skriptorium
Hammelfleisch mit Vogelbeeren und wildem Knoblauch gekocht, dazu Kohl und Zwiebeln und Gerstenbrot und danach einen Teller Schlehen mit Honig zum Abschluß. Was meint ihr dazu?«
»Meine Frau genießt den Ruf, die beste Köchin der Corco Loígde zu sein«, sagte Molua.
»Ein wohlverdienter Ruf, nach der Zusammenstellung des Essens zu urteilen«, bemerkte Cass.
Aíbnat errötete vor Freude.
»Wir halten hier Bienen, gewinnen den Honig also selbst.«
»Ich habe schon gesehen, daß ihr hier reichlich mit Bienenwachskerzen versehen seid«, sagte Fidelma. In vielen ärmeren Haushalten wurden Kerzen gewöhnlich aus Fleischfett oder geschmolzenem Talg hergestellt, mit einer entrindeten Binse als Docht.
»Während Aíbnat nun das Essen zubereitet«, meinte Molua, setzte sich und füllte ihre Becher aus dem Krug nach, »könnt ihr mir erzählen, warum ihr mein bescheidenes Haus mit eurer Anwesenheit beehrt.«
»Vor einer Woche brachte Aíbnat drei Kinder hierher.«
»Ja. Zwei kleine Mädchen, nicht älter als neun Jahre, und einen Jungen von ungefähr acht Jahren«, bestätigte Molua.
»Es waren die Kinder, die aus Rae na Scríne gerettet wurden«, fügte Aíbnat hinzu. »Hattet ihr nicht auch etwas damit zu tun?«
Cass lächelte grimmig.
»Allerdings. Wir waren es, die sie gerettet haben.«
»Wir haben von diesem schrecklichen Verbrechen gehört«, sagte Molua. »Es ist nicht zu verstehen, daß Menschen in Zeiten der Not so grausam zu ihren Nachbarn sein können. Eine solche Ungerechtigkeit verurteilt doch jeder.«
Fidelma konnte es sich nicht verkneifen, ihren Spott anzubringen.
»Es war Plato, der schrieb, daß die Menschheit stets die Ungerechtigkeit tadelt, doch nur aus Furcht, selbst ihr Opfer zu werden, und nicht, weil sie sich scheut, sie zu begehen.«
Moluas Gesicht wurde traurig.
»Das kann ich nicht glauben, Schwester. Ich glaube nicht, daß der Mensch absichtlich darauf aus ist, eine Ungerechtigkeit zu begehen. Er tut es immer nur, weil er verblendet wird durch ein verzerrtes Bild einer angenommenen Moral oder einer gerechten Sache.«
»Welche Moral oder gerechte Sache hat deiner Meinung nach zu dem Morden in Rae na Scríne geführt?« wollte Cass wissen.
Molua zuckte die Achseln.
»Ich bin nur ein einfacher Bauer. Wenn ich ein Feld umpflüge, dann zerstöre ich Leben. Ich zerstöre die Gräser und Kräuter auf diesem Feld. Ich zerstöre den natürlichen Lebensraum von Wühlmäusen, Hamstern und anderen Tieren. Für sie ist das eine Ungerechtigkeit. Für mich ist es eine gerechte Sache, denn das Pflügen dient der Ernährung des Menschen.«
»Tiere!« murmelte Cass. »Wer schert sich um Gerechtigkeit für Tiere?«
»Sind sie nicht auch Gottes Geschöpfe?« fragte Molua gekränkt.
»Ich verstehe, worauf du hinauswillst, Molua«, mischte sich Fidelma ein. »In der Theorie stimmen wir zweifellos überein. Es gab einen Grund für die Tat in Rae na Scríne, doch wenn der Grund auch gerechtfertigt sein mag, die Tat ist es nicht und kann es nicht sein.«
Molua neigte den Kopf.
»Das akzeptiere ich.«
»Nun gut. Es waren noch zwei Jungen mit Namen Cétach und Cosrach, die auch aus Rae na Scríne kamen und in dieses Waisenhaus gebracht werden sollten. Doch sie sind verschwunden. Einer war etwa zehn Jahre, der andere älter, vielleicht fünfzehn. Sie hatten schwarzes Haar.«
Aíbnat und Molua blickten sich an und schüttelten beide beinahe gleichzeitig den Kopf.
»Hier sind keine Kinder aufgetaucht, auf die diese Beschreibung passen würde.«
»Das habe ich auch nicht erwartet. Aber vielleicht dürfte ich den anderen Kindern ein paar Fragen stellen?« bat Fidelma. »Sie wissen möglicherweise mehr über die beiden Jungen.«
»Ich möchte nicht, daß die Kinder in Aufregung geraten«, wandte Aíbnat ein. »Die Erinnerung an das schreckliche Ereignis könnte sie verstören.«
»Ich würde sie nicht behelligen, wenn es nicht wichtig wäre«, versuchte Fidelma sie zu beruhigen. »Ich kann nicht dafür bürgen, daß sie sich nicht aufregen. Dennoch muß ich darauf bestehen.«
Molua nickte langsam.
»Sie hat das Recht dazu«, erklärte er seiner Frau. »Sie ist eine dálaigh bei Gericht.«
Aíbnat schien das nicht zu überzeugen.
»Dann laß mich dabei sein, wenn du ihnen deine Fragen stellst, Schwester.«
»Natürlich«, stimmte Fidelma bereitwillig zu. »Gehen wir und sprechen wir mit ihnen, nur wir beide. Das wird sie nicht verschüchtern.«
»In Ordnung«, sagte Aíbnat und sah Molua an.
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