03 - Tödliches Vermächtnis
sich herum.
Im Sprung verkrampfte sich das Tier – und fiel steif zu Boden, zuckte nicht einmal mehr. Entgeistert starrte Carcía-Carrión auf die Flanke des Hundes. Etwas wie ein kleines Federbüschel steckte in dem glatten Fell.
Dieses scharfe Zischen – jemand hatte mit einem Blasrohr einen Giftpfeil abgeschossen! Der Spanier brauchte ein paar Sekunden zu lange, um zu begreifen – und um zu spüren, dass jemand hinter ihm stand.
»Ganz ruhig!«, befahl eine akzentbehaftete Stimme. »Verhalte dich ruhig, dann geschieht dir nichts!«
»Ericson?«, brachte Pedro Carcía-Carrión bebend hervor.
Das leise Lachen hinter ihm klang spöttisch. Etwas Kaltes drückte plötzlich von hinten unter sein Kinn. Das Gefühl einer scharfen Klinge an seiner Kehle ließ ihn erzittern.
»Keine Dummheiten! Du willst doch nicht, dass Aldonza so stirbt wie deine Hunde?«
Sein Zeigefinger legte sich um den Abzug der Pistole. In Gedanken wusste Carcía-Carrión, was er zu tun hatte. Er hatte nur dann eine Chance, wenn er blitzschnell reagierte. Er war zu alt, zu langsam. Und trotzdem …
Das Messer an seinem Hals erlaubte ihm nur, sich nach hinten fallen zu lassen. Wenn er gleichzeitig die Pistole herumriss und abdrückte …
»An deiner Stelle würde ich gar nicht erst daran denken«, sagte die Stimme hinter ihm. Eine unnachgiebig zupackende Hand riss seinen Arm zurück und nahm ihm die Pistole ab.
»Nicht übel für sein Alter«, sagte eine zweite Stimme.
Die Eindringlinge waren zu zweit. Also hatte das kaum mit Ericson zu tun. Weiter kam Pedro nicht in seinen Überlegungen. Eine Hand griff in sein Haar und riss seinen Kopf mit einem schmerzhaften Ruck nach hinten.
»Wo ist das Artefakt?«
Er schwieg.
Im nächsten Moment schnitt das Messer über sein Kinn. Der Schmerz war heftig, Carcía-Carrión verbiss sich dennoch einen Aufschrei. Er spürte, dass Blut über seinen Hals rann.
Er wurde hochgezerrt und auf die Beine gestellt. Dabei sah er einen der beiden Eindringlinge. Er trug eine Maske. Das und die Dunkelheit machten es schwer zu erkennen, ob Pedro es überhaupt mit Spaniern zu tun hatte.
Indios!, schoss es ihm durch den Sinn. Als er gleich darauf an Juan del Mazo dachte, konnte er sein Zittern nicht mehr unterdrücken.
»Noch einmal!«, zischte der Maskierte. »Wo ist das Artefakt? Ericson hat danach gefragt. Du hast geleugnet, davon zu wissen, stimmt’s? Aber jetzt geht es um dein Leben. Also: die Wahrheit!«
»Ich … weiß es wirklich nicht!«
Ein heftiger Schlag traf sein Gesicht. Carcía-Carrión schmeckte Blut auf den Lippen.
»Für wie blöd hältst du uns?« Die Spitze des Messers bohrte sich in eines seiner Nasenlöcher und zwang ihn, den Kopf zu heben. In aufkommender Panik verdrehte Carcía-Carrión die Augen und schielte auf das Messer. Es schien sich um einen Opferdolch zu handeln.
»Was Ericson sucht, kann es gar nicht geben«, presste er hervor. »Das Artefakt soll gewichtslos sein und das Licht trinken … was immer das heißen mag.«
Eine Bewegung beim Haus irritierte den Spanier, und als er genauer hinsah, erblickte er einen Mann vor einem der Fenster, der vor einer Sekunde noch nicht dort gestanden hatte. Als wäre er durch die Wand und das Glas getreten.
Es war ein großer, schlanker Mann. Er trug einen eleganten weißen Anzug und dazu einen weißen Schlapphut. Gemessenen Schrittes trat er auf die Terrasse heraus.
Carcía-Carrión fröstelte, als ihm bewusst wurde, dass der Weißgekleidete ihn ansah.
Der Mann hob eine Hand und gab den Maskierten einen befehlenden Wink. »Bringt ihn hinein!« Seine Stimme klang kalt wie Eis. »Alles ist vorbereitet.«
Pedro Carcía-Carrión hatte das entsetzliche Gefühl, dass dieser Stimme jegliche Empfindung fehlte. Er wollte schreien, doch er konnte es nicht. Ihm war, als legte sich eine unsichtbare Hand auf sein Gesicht und lasse ihm gerade noch genug Freiheit zum Atmen.
***
Am nächsten Tag
Tom Ericson hatte ein Bier vor sich stehen. Eigentlich ein Stilbruch so nahe der Plaza de Isabel la Católica, dem Verkehrszentrum von Granada. Aber das war ihm herzlich egal. Es wäre an der Zeit gewesen, frustriert mehrere Tequila zu kippen, nur hätte ihn das in keiner Weise weitergebracht.
Es war kurz nach dreizehn Uhr und er stand wieder da, wo er begonnen hatte: vor dem Nichts. Dabei war er gestern in Córdoba noch so zuversichtlich gewesen.
Auch der dritte Name, Anselmo da Gama, so vielversprechend er klang, hatte sich als Fehlschlag erwiesen.
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