03 - Tödliches Vermächtnis
habt versagt!«, stellte der Mann in Weiß fest. Dass seine Stimme dabei völlig emotionslos blieb, machte es für die Indios nicht leichter. Sie fuhren unter seinen Worten zusammen. »Ihr habt es nicht geschafft, das Bauteil an euch zu bringen. Ohne dieses Teil kann die Operation nicht durchgeführt werden.«
Mit keiner Regung, nicht einmal mit einem Wimpernzucken zeigte der Mann in Weiß seinen Zorn. Doch Pauahtun spürte, dass der Herr zornig war , und das erschütterte ihn.
»Ericson ist untergetaucht, Herr.« Pauahtun schluckte schwer. Mit beiden Händen fuhr er sich über das Gesicht. »Aber wir werden ihn aufspüren, das schwöre ich bei Hunab Ku.«
Rückblickend war es auch dem Glatzköpfigen ein Rätsel, wie die Aktion derart schiefgehen konnte. Sie hatten, wie die Male zuvor, in der Nähe gewartet, als sich Ericson zu dem Kunstsammler begab. Mit einem Unterschied: Diesmal sollten sie unmittelbar eingreifen. Der Herr schätzte die Wahrscheinlichkeit, dass Víctor Javier Tirado der gesuchte Besitzer des Artefakts war, als so hoch ein, dass sie sich mit Hängegleitern auf einem der umgebenden Hochhäuser postiert hatten. Als der Herr dann auf den Bildern der Überwachungskamera das Bauteil eindeutig identifiziert hatte, gab er den Einsatzbefehl.
Alles wäre glatt verlaufen, wenn Ericson keine Gelegenheit zur Flucht gefunden und dabei auch noch das Artefakt mitgenommen hätte. Wer hatte ahnen können, dass er einen der Gleiter benutzen würde? Pauahtuns Versuch, ihn zu verfolgen und zu töten, war gescheitert.
»Ich werde wissen, wo Ericson sich aufhält, sobald er sich das nächste Mal ins weltweite Datennetz begibt«, sagte der Mann in Weiß. »Zusätzlich überwache ich die Kommunikation der Behörden. Die manipulierten Aufnahmen haben Wirkung gezeigt. Nachdem er nun als Mörder gesucht wird, ist seine Festnahme nur noch eine Frage der Zeit.« Er blickte in die Runde. »Und Zeit ist der wichtigste Faktor bei diesem Auftrag. Wir werden Ericson das Bauteil abjagen – mit allen verfügbaren Mitteln.«
Die nachfolgende Stille im Raum trug einen Hauch des Todes in sich. Keiner der Indios, nicht einmal Pauahtun, wagte sich zu äußern.
»Ihr werdet euren Fehler wiedergutmachen«, fuhr der Mann in Weiß fort, »sobald ich Ericson lokalisiert habe.« Damit wandte er sich um und trat an einen Tisch heran, auf dem ein WLAN-Router stand. Er streckte seine Hand nach dem Gerät aus. Seine Finger versanken darin.
Ein Knistern erfüllte den Raum.
Winzige Funken huschten über die Hand des Mannes. Sie verdichteten sich und wurden gedankenschnell zu gleißenden Linien, die an seinem Arm in die Höhe stiegen, innerhalb weniger Sekunden seine Schulter erreichten, zu seinem Nacken übersprangen und dort verblassten.
Pauahtun wusste: Der Geist des Herrn reiste nun auf Pfaden, die normalen Menschen verwehrt blieben. In diesen Augenblicken war er überall zugleich, suchte gedankenschnell nach Ericsons Spuren. Der Archäologe hatte keine Chance …
ENDE
[1] Siehe 2012 - Das Jahr der Apokalypse Nr. 2 »Der 'Mann in Weiß'«
[2] Analytic Institute of Mysteries
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