03 - Tödliches Vermächtnis
ein ebenerdiges Zimmer.
Der Raum wirkte düster, fast schon bedrückend. Alles hier atmete den Hauch der Inquisition, einer der dunkelsten Epochen der spanischen Geschichte.
Absicht? Höchstwahrscheinlich. Um jeden Besucher nicht nur zu beeindrucken, sondern ihn zugleich zu verunsichern.
Tom fragte sich, was für ein Mensch Carcía-Carrión tatsächlich sein mochte. Rechthaberisch, überlegen, oder einfach nur ein verkappter Psychologe?
Drei Namen hatte Pierre Leroy, sein alter Weggefährte bei A.I.M. [2] , auf die Liste gesetzt. Alle drei waren alternde Kunstsammler, die eindeutige Kriterien erfüllten. Jedem von ihnen wäre es wegen ihres Diplomatenstatus seinerzeit möglich gewesen, Hehlerware unentdeckt über die Landesgrenzen zu bringen, und jeder von ihnen hatte sich im fraglichen Zeitraum in Mexiko aufgehalten, zumindest in einem der angrenzenden Länder. Carcía-Carrión war beruflich in Guatemala gewesen.
Zwei schwere Ledersessel standen mitten im Raum. Die Haushälterin hatte Ericson aufgefordert, Platz zu nehmen. Er tat es nicht, blieb lediglich hinter einem der wuchtigen Sitzmöbel stehen und sah sich um. Wer hier saß, schaute nicht durch das einzige kleine Fenster in den Garten hinaus, stattdessen fiel sein Blick auf die Gemälde an der Kaminwand. In den Ecken daneben standen und hingen Folterwerkzeuge – keine Repliken, sondern schartige, oft benutzte Originale. Das blutgetränkte Holz eines mit spitzen Eisen gespickten Hexenstuhls war dunkel, fast schwarz geworden.
Tom fragte sich, wo der Hausherr blieb. Ließ Carcía-Carrión ihn warten, damit er Zeit fand, all diese schrecklichen Stücke zu betrachten? Beobachtete der Mann seinen Besucher dabei?
Tom Ericson unterdrückte den Impuls, den Kopf zu heben und die Decke nach einer verborgenen Kamera abzusuchen. Er verdrehte nur die Augen. Was mochte dem Kunstsammler durch den Kopf gehen? Ahnte er, was Ericson von ihm wollte?
Tom warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war an der Zeit, sich ungeduldig zu zeigen.
Wie suchend drehte er sich einmal um sich selbst, dann ging er zu dem Hexenstuhl und strich mit den Fingern über die rostigen Eisenbügel, mit denen die Handgelenke des Opfers fixiert worden waren. Gleich neben dem Stuhl stand ein großes Relief auf einem Wandbord. Tom fuhr mit der Kuppe des Zeigefingers über die Umrahmung hinweg, dann wischte er über die Figuren im linken Bereich hinweg.
Ein drängendes Räuspern erklang hinter ihm.
***
Tom wandte sich um. Lautlos hatte der Spanier den Raum betreten. Er war groß, sogar ein paar Zentimeter größer als der Archäologe, also mindestens einsneunzig, und hager. Sein Gesicht wirkte ausgezehrt, das ließ die hervorstehenden Wangenknochen noch ein wenig kantiger erscheinen, als sie es ohnedies schon waren. Dazu passten die kräftige Nase und die tief in den Höhlen liegenden Augen sowie die dunklen Tränensäcke. Ericson zog unwillkürlich den Vergleich mit einem Raubvogel.
Im Gegensatz zu dem Foto im Internet hatte Carcía-Carrión mittlerweile schütteres, strähniges Haar. Es war fast schlohweiß, so wie der Bart. Trotzdem: Das war der Mann, dessen Konterfei Tom im Internet gefunden hatte. Die Ähnlichkeit war unverkennbar.
»Sie fragen sich, ob das Relief echt ist?« Das war eine eigenartige Form der Begrüßung. Eigenartig wie alles, was Tom hier bislang festgestellt hatte. »Es ist das Original«, fuhr der Hausherr fort, ohne eine Antwort abzuwarten. »Das Museum verfügt über eine Kopie. Sie wissen, was es darstellt?« Sein leises Lachen klang in der Tat wie das Krächzen eines Vogels.
»Giordano Bruno vor der Inquisitionskommission«, antwortete Ericson.
Der Alte nickte zögernd. Stumm wandte er sich zur Seite und fixierte eines der größeren Ölgemälde. Sein Schweigen war eine unmissverständliche Aufforderung.
Tom hatte das Bild schon betrachtet. »Ferdinand der Zweite von Aragón und Isabella die Erste von Kastilien«, sagte er.
»Das da?« Der Hagere deutete mit drei Fingern auf ein weiteres Gemälde an der gegenüberliegenden Wand.
»Ich weiß nicht, Señor Carcía-Carrión. Ich bin Archäologe, kein Kunsthistoriker.«
»Sie sind Amerikaner?«
»Sieht man mir das an?«
Zwischen ihnen stand eine unsichtbare Wand, die sie auf Distanz hielt. Der Spanier wirkte reserviert und neugierig zugleich, eine gewisse Unschlüssigkeit drückte sich in seiner Haltung aus.
»Versuchen Sie es dennoch!«, verlangte er.
Tom machte zwei Schritte auf das Bild zu. Er war sich des
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