03 - Tödliches Vermächtnis
ersten Eindrucks nicht sicher und suchte deshalb nach der Signatur.
»Auch das ist ein Original, Mister Ericson. Wie kommt es, dass so wenig über Sie im Internet zu finden ist?« Der Themenwechsel wirkte abrupt. Zugleich verriet die Frage, weshalb Carcía-Carrión seinen Besucher so lange hatte warten lassen. Der Spanier hatte im World Wide Web recherchiert – und er gestand das sogar offen ein. »Es gibt viel Gesindel heutzutage; schon deshalb bin ich ein vorsichtiger Mensch geworden.«
Tom schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass Dozenten der Yale-Universität zu dem Personenkreis zählen, den Sie als Gesindel bezeichnen, Señor.«
Das hatte ein Scherz sein sollen, doch die Miene des Weißhaarigen blieb unbewegt. Durchdringend blickte er den Archäologen an. »Den Maler sollten Sie inzwischen erkannt haben. Und das Motiv …?«
»Das Gemälde stammt von Goya. Die Darstellung des Inquisitionstribunals. – Ihre Fragen, Señor Carcía-Carrión, sind die auch eine Art von Inquisition?«
»Sehen Sie das so? Ich denke, Mister Ericson, dass Sie gekommen sind, um mir nicht weniger seltsame Fragen zu stellen.«
Der Archäologe stutzte. Das klang gerade so, als wäre der Spanier auf seinen Besuch vorbereitet gewesen. Aber das war … ganz und gar nicht unmöglich, wurde Tom klar. Obwohl beinahe ganz Spanien zwischen Oviedo und Córdoba lag, war es nur logisch, dass del Mazo und Carcía-Carrión einander kannten. Tom schalt sich einen Narren, dass er das nicht eher in Erwägung gezogen hatte. Wenn dem so war, hatte er das Überraschungsmoment verspielt.
»Mich interessiert Ihre Sammlung«, stellte er unumwunden fest.
»Nicht ein Stück davon ist verkäuflich!«
»Darum geht es mir gar nicht …« Tom verstummte im Satz. Überrascht schaute er auf die fordernd ausgestreckte Hand des Spaniers. Erst als Carcía-Carrión um seinen Pass bat, wurde ihm die Geste klar.
Er reichte dem Mann den Ausweis. Der ehemalige Konsul blätterte eine Weile darin herum, wobei er sich die Visa und anderen Stempel aufmerksam ansah. Schließlich gab er das Dokument zurück. »Scheint alles in Ordnung zu sein. Sie kommen viel herum.«
»Das bringt meine Arbeit so mit sich.«
Wütendes Kläffen hallte durch das Haus. Es hörte sich an, als tobten zwei bissige Hunde vor dem Inquisitionszimmer. Augenblicke später wurde die Tür von außen aufgestoßen. Eine ältere Dame schaute herein. Sie hielt einen Rottweiler am Halsband fest. Das Tier zog die Lefzen hoch.
»Jetzt nicht«, sagte Carcía-Carrión. »Wir haben geschäftlich miteinander zu reden.«
Die Frau schwieg dazu. Es kostete sie einige Mühe, den Rottweiler zurückzuziehen. Das Bellen entfernte sich.
»Entschuldigen Sie«, sagte der Spanier.
Ericson nickte stumm. Ihm war klar, dass diese Demonstration keineswegs zufällig erfolgt war. Sein Gegenüber hatte ihn erwartet, daran zweifelte er nicht mehr.
»Setzen wir uns«, sagte Carcía-Carrión. »Darf ich Ihnen einen Brandy anbieten? Einen Cardenal Mendoza?«
»Danke. Sehr gern.« Das Angebot schlug Tom nicht aus. Es ging nichts über einen ausgezeichneten spanischen Tropfen.
Der Weißhaarige reichte ihm großen Cognacschwenker. »Was führt Sie zu mir?«
»Wie gesagt: Ihre Sammlung«, antwortete Tom. »Um genau zu sein, ist es ein einziges Stück, das mich interessiert.«
Sein Gegenüber zog die Brauen hoch. »Sie machen mich neugierig. Welches?«
»Es stammt von Cozumel. Sie waren doch auf Cozumel?«
Carcía-Carrión schürzte die Lippen. Sein Blick bekam etwas Stechendes. »Das ist ja nicht verboten, oder? Zigtausende Touristen werden jedes Jahr dorthin gekarrt. Die meisten wollen tauchen.«
»Und manche fischen nach anderen Fundstücken«, bemerkte Tom wie beiläufig.
Pedro Carcía-Carrión kippte seinen Brandy und stellte das Glas ruckartig zur Seite. Durchdringend blickte er den Archäologen an. »Weshalb suchen Sie mich auf, Mister Ericson? Was wollen Sie von mir – und wer ist der Sammlerkollege, der meinen Namen angeblich als Ansprechpartner genannt hat?«
»Nun denn.« Tom nickte und versuchte es mit einer Flucht nach vorn. »Ich habe mit Juan Martinez del Mazo gesprochen.«
»Juan hat Sie zu mir geschickt?«
Für einen Moment war Tom versucht, das zu bestätigen. Doch da lag etwas Lauerndes im Blick seines Gegenübers, das es ihm geraten erschien, bei der Wahrheit zu bleiben.
»Sowohl Señor del Mazo, als auch Sie, Señor, haben sich Mitte der Achtzigerjahre für einige Zeit auf Yucatán
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