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03 - Winnetou III

03 - Winnetou III

Titel: 03 - Winnetou III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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denn die Weißen sind die Söhne des guten Manitou, der auch die roten Männer liebt!“
    Dieser Entschluß war die erste Frucht unserer gestrigen Unterredung, und nun hatte ich die Überzeugung, daß meine Worte auch noch weiter wirken würden. Das Wort Gottes ist das Senfkorn, dessen Keimen im Verborgenen vor sich geht; hat es aber einmal die harte Kruste durchdrungen, so wächst es im Licht schnell und fröhlich weiter.
    Unsere Pferde hatten sich von dem gestrigen angestrengten Ritt vollständig wieder erholt; sie griffen so aus, daß es eine Freude war. Die Bewohner von Helldorf-Settlement, welches seinen Namen nach dem bayerischen Dorf führte, aus welchem diese Leute stammten, waren öfters in Echo-Cañon gewesen und hatten uns den kürzesten Weg genau beschrieben, so daß wir bei der Schnelligkeit unserer Pferde hoffen konnten, den Ort bis heute abend noch zu erreichen.
    Winnetou war während des ganzen Tages noch einsilbiger als gewöhnlich, und manchmal, wenn er eine Strecke vor uns ritt und uns also außer Hörweite wähnte, war es mir, als hörte ich ihn mit leisem Summen die Melodie des Ave Maria wiederholen, eine Bemerkung, welche mich um so mehr frappieren mußte, als die Indianer fast durchgängig ohne musikalisches Gehör sind.
    Am Nachmittag wurden die Umrisse der Berge kühner, mächtiger und steiler. Wir gerieten in ein Labyrinth wundervoller enger und verwickelter Schluchten, bis wir endlich gegen Abend von einer steilen Höhe aus das Ziel unter uns liegen sahen – Echo-Cañon mit dem Schienengeleis und dem friedlichen Arbeiter-Kamp, den wir vom Untergang retten wollten – – –

SIEBENTES KAPITEL
    Am Hancockberg
    Unter Cañon versteht der Amerikaner eine tiefe Felsenschlucht. Das gibt sofort ein Bild des Ortes, den wir jetzt erreicht hatten. Die Bahn führte schon längst durch Echo-Cañon, aber der Schienenbau war nur ein provisorischer, und es gab bei Fertigstellung der Bahn so viele Schwierigkeiten zu überwinden, daß eine bedeutende Anzahl Arbeiter nötig war, diese zu überwältigen.
    Eine kleine Seitenschlucht bot uns Gelegenheit, hinabzukommen, und als wir die Tiefe erreichten, trafen wir auch bereits auf die ersten Arbeiter, welche beschäftigt waren, einen Felsen zu sprengen. Sie blickten uns mit Verwunderung entgegen. Zwei fremde, bis an die Zähne bewaffnete Weiße mit einem Indianer an der Spitze, war für sie ein so besorgniserregender Anblick, daß sie die Werkzeuge weglegten und zu den Waffen griffen.
    Ich winkte ihnen mit der Hand, ohne Furcht zu sein, und ritt im Galopp auf sie zu.
    „Good day!“ grüßte ich. „Legt die Büchsen weg. Wir sind Freunde!“
    „Wer seid ihr?“ fragte einer.
    „Wir sind Jäger und kommen mit einer sehr wichtigen Botschaft zu euch. Wer führt hier in Echo-Cañon den Befehl?“
    „Eigentlich Ingenieur Oberst Rudge. Weil dieser aber nicht da ist, so müßt Ihr Euch an Master Ohlers, den Zahlmeister, wenden.“
    „Wo ist Colonel Rudge?“
    „Er ist ausgezogen, einer Bande Railtroublers nach, welche einen Zug vernichtet hat.“
    „Ah, also doch! Wo ist Master Ohlers zu finden?“
    „Da vorn im Kamp, in der größten Hütte.“
    Wir ritten in der angegebenen Richtung davon, und sie blickten uns wißbegierig nach. Nachdem wir fünf Minuten lang die Strecke verfolgt hatten, kamen wir an das Lager. Es bestand aus verschiedenen Blockhäusern und zwei aus rohen Steinen schnell und notdürftig aufgemauerten, lang gestreckten Häusern. Um das Ganze war eine Mauer gezogen, die nur aus lose übereinander gelegten Steinen bestand, trotzdem aber ziemlich fest war und eine Höhe von vielleicht fünf Fuß erreichte. Der Eingang, welcher aus einem stark gezimmerten Tor bestand, war offen.
    Da ich keine Hütte bemerkte, so fragte ich einen der an der Schutzmauer beschäftigten Arbeiter nach dem Zahlmeister und wurde nach dem einen der steinernen Gebäude gewiesen. Es waren gar nicht viele Leute zu sehen, und diejenigen, welche ich bemerkte, waren beschäftigt, einen Transportwagen voller Schienen abzuladen.
    Wir stiegen von den Pferden und traten in das Gebäude. Sein Inneres bestand aus einem einzigen Raum, in welchem zahlreiche Kisten, Fässer und Säcke lagerten, zum Zeichen, daß dies hier wohl die Proviant-Niederlage sei. Es war eine einzige Person anwesend, ein kleines, dürres Männchen, welches sich bei unserem Eintritt von einer der Kisten erhob.
    „Was wollt Ihr?“ fragte der Mann, mich erblickend, mit scharfer, dünner Stimme. Da aber sah

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