03 - Winnetou III
trotzdem entschlossen habe, ein Nachwort zu schreiben, so geschieht dies zunächst um denjenigen Lesern und Leserinnen, welche mich mit Zuschriften beehrten, meinen Dank auszusprechen. Hunderte und wieder Hunderte von Briefen gingen bei mir ein, und sie alle sagten mir, welche Sympathie sich Winnetou, der Häuptling der Apachen, allüberall errungen, welche Begeisterung er hervorgerufen hat.
Als aufrichtiger Autor muß ich freilich gestehen, daß mir auch einige Zuschriften vorliegen, welche neben dem Lob auch einen Tadel enthalten. Da schreibt mir ein Herr, daß im ‚Winnetou‘ zuviel Blut fließe; ein zweiter beschwert sich darüber, daß Old Shatterhand viel zu human verfahre und dadurch sich und seinen Gefährten immerfort nur Schaden bereite; der dritte hält es für nicht recht daß in dem Werk so viel Ton auf die Religion und Menschlichkeit gelegt wird, und der letzte und vierte hat die Güte mir anzudeuten, daß der Inhalt dieser Bände in chronologischer Beziehung nicht genau mit dem übereinstimme, was früher in verschiedenen Journalen von mir über Winnetou veröffentlicht worden ist.
Was die beiden ersten Briefe betrifft, so kann ich sie wohl auf sich beruhen lassen; die Antwort ergibt sich ganz von selbst. Den dritten aber glaube ich nicht übergehen zu dürfen, da ich Grund habe, zu vermuten, daß der Herr Verfasser nicht der einzige Leser von dieser Meinung ist. Ein Mensch, der anders spricht als er denkt der ist ein Heuchler oder ein Lügner. Was ist nun ein Autor, der anders schreibt als er denkt und fühlt? Ich bin nun einmal ein gläubiger Christ und habe den unwiderstehlichen Drang, dies in meinen Werken nicht zu verheimlichen. Wenn es mir auch nie und nimmer beifallen kann, der Religions- und Humanitätslehrer meiner Leser sein zu wollen, so bin ich doch überzeugt durch meine Schreibweise keinen Menschen zu schädigen, und bei den Strömungen grad der gegenwärtigen Zeit ist es gar nicht gleichgültig, ob der deutsche Hausvater den Seinigen ein Buch in die Hände gibt welches einen gläubigen oder einen ungläubigen, oder, was vielleicht noch schlimmer ist einen indifferenten Verfasser hat. Es ist auf alle Fälle besser, wenn ein Zweifler seiner Familie ein religiös betontes Werk auf den Tisch legt, als daß die Angehörigen eines christlich gesinnten Mannes sich hinter seinem Rücken mit Schriften freien oder gar unlauteren Inhaltes beschäftigen; das eine schadet nicht das andere aber ungeheuer.
Was nun den Widerspruch zwischen einigen Angaben des vorliegenden Werkes und meinen früheren Veröffentlichungen betrifft, so bin ich an ihm vollständig unschuldig. Meine Verteidigung besteht einzig in dem Ausruf: „O diese Herren Redakteure!“
Lieber Leser, hast du eine Ahnung davon, wer und was diese Herren sind und in welcher Weise viele von ihnen mit den Manuskripten ihrer Mitarbeiter verfahren? Da verlängert einer dieser Herren eine meiner Reiseerzählungen um zwei volle Kapitel, damit seine Abonnenten nur recht viel von ‚ihrem May‘ bekommen. Einem andern geht der Raum aus, und flugs schiebt er, wie man Karten mischt, zwei Erzählungen zu einer zusammen, läßt die Hälfte der Personen plötzlich sterben und bringt diese Mixtur dann zu einen Schluß, über den ich, wenn ich ihn später lese, die Hände ringen möchte. Ein dritter will unbedingt Old Death oder Winnetou bringen und läßt wie ein Zauberkünstler diese nicht anwesende aber vielgewünschte Person wie aus der Luft erscheinen, wofür dann freilich eine oder mehrere sehr anwesende Gestalten verschwinden müssen. Es ist mir vorgekommen, daß der höchst pfiffige Besitzer einer Zeitung eine meiner chinesischen Erzählungen nach Nordamerika verlegte und den langen San-fu einfach in Old Shatterhand, den dicken Ti-pin aber in Winnetou verwandelte. Wie sich die guten Chinesen als wilde Indianer ausnahmen, kann man sich denken! Wenn ich mich dann beschwere, so antwortet man mir entweder, man habe geglaubt, machen zu können, was man wolle, oder die Entschuldigung besteht in dem Vorgeben, daß man mich nicht habe fragen können, weil ich wegen meiner Reisen so oft und so lang abwesend sei.
Da ist es denn nun ganz unausbleiblich, daß diese Erzählungen jetzt durch mich eine Umänderung erfahren, welche als eine Richtigstellung bezeichnet werden muß. Denjenigen meiner Leser und Leserinnen, welche sich darüber beklagen, daß sie nun von Winnetou nichts mehr hören sollen, kann ich sagen, daß dies keineswegs der Fall sein wird.
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