03 - Winnetou III
sie bemerke, ein Zeichen geben. Dann verstecken sich Eure Leute in die Blockhäuser, und die Indsmen werden glauben, daß sie es nur mit wenigen zu tun haben. Noch heut schlagen wir rundum an der Innenseite der Umfassungsmauer Pfähle in die Erde und nageln Bretter oder Bohlen darauf. So entstehen Bänke, auf welche sich beim Überfall unsere Leute stellen, um über die Mauer hinausschießen zu können. Wenn ich richtig vermute, so ist der Colonel bereits morgen um die Mittagszeit hier. Dann sind wir mit den Leuten aus Promontory über zweihundertvierzig gegen zweihundert Feinde. Wir stehen hinter den Mauern gedeckt; die Roten aber haben keine Deckung und erwarten keine Gegenwehr; es wäre also eine Unglaublichkeit, wenn wir sie nicht gleich mit der ersten Salve so heimschicken, daß sie das Wiederkommen vergessen.“
„Und dann verfolgen wir sie!“ jubelte der kleine Mann ganz begeistert, denn meine Anordnungen hatten ihm ungeheure Courage gemacht.
„Das wird sich finden! Jetzt aber sputet Euch! Ihr habt dreierlei zu tun: uns einen Imbiß nebst Nachtlager zu besorgen, nach Promontory zu telegraphieren und Eure Leute zum Bau der Mauer anzustellen.“
„Soll geschehen, Sir, sofort! Es wird mir gar nicht einfallen, vor den Roten auszureißen. Und was Euch betrifft, so sollt Ihr ein Souper haben, ein Abendessen, mit dem Ihr zufrieden seid. Ich bin nämlich selbst Koch gewesen. Verstanden?“
Es läßt sich in kurzem sagen, daß alles so geschah, wie ich es vorgeschlagen hatte. Unsere Pferde bekamen ein gutes Futter und wir ein gutes Essen. Master Ohlers schien wirklich mit dem Küchenlöffel bewanderter zu sein, als mit der Vogelflinte. Die Leute arbeiteten wie die Riesen an der Erhöhung der Mauer. Sie gönnten sich selbst während der Nacht keine Ruhe, und als ich am frühen Morgen vom Schlaf erwachte und nach der Arbeit sah, erstaunte ich über den Fortschritt, den sie gemacht hatte.
Ohlers hatte mit dem hier anhaltenden Nachtzug mündliche Nachrichten nach Promontory geschickt, doch war schon seine Depesche berücksichtigt worden, denn zwar nicht bereits während der Nacht, sondern am frühen Vormittag noch traf ein Zug ein, welcher die verlangten hundert Männer brachte und mit ihnen alles, was an Waffen, Munition und Proviant notwendig war.
Diese Leute machten sich sogleich an die Arbeit, so daß die Mauer bereits am Mittag vollendet war. Auf meine Anregung wurden auch sämtliche vorhandenen leeren Fässer mit Wasser gefüllt und hinter die Einfassung geschafft. So viele Leute wollten trinken, und man konnte ja nicht wissen, ob man nicht eine kleine Belagerung auszuhalten oder ein Feuer zu löschen haben würde.
Die Nachbarstationen waren benachrichtigt worden, doch sollten die Züge wie gewöhnlich expediert werden, um die Feinde nicht aufmerksam zu machen.
Nach dem Mittagessen verließen wir drei, Winnetou, Walker und ich, den Cañon, um nach den Spähern auszublicken. Wir hatten diesen Dienst übernommen, weil wir uns am liebsten auf uns selbst verließen, auch hatte sich von den Railroadern keiner zu dem gefahrvollen Gang gemeldet. Es wurde ausgemacht daß im Cañon ein Sprengschuß getan werden solle, sobald einer von uns dreien mit der Meldung zurückkehre, daß er die Spione gesehen habe.
Wir mußten uns nämlich teilen. Die Indsmen kamen jedenfalls von Norden, und da gab es nach der Aussage des Zahlmeisters drei Richtungen, aus denen sie sich nähern konnten. Ich hatte die westliche Partie übernommen, Winnetou die mittlere und Walker die östliche, so daß er denselben Weg zu überwachen hatte, auf welchem wir selbst nach dem Cañon gekommen waren.
Ich klomm die steilen Felswände empor, trat oben in den Urwald ein und hielt mich dann am Rand einer Seitenschlucht immer nach Norden zu. Nach ungefähr dreiviertel Stunden erreichte ich einen Ort, der für mein Vorhaben wie geschaffen schien. Auf der Kuppe des Urwaldes stand eine riesige Steineiche und neben ihr eine schlanke Tanne. Ich kletterte an der letzteren empor und gelangte dadurch auf einen starken Ast der Eiche, hier war deren Stamm dünn genug zum Klettern, und ich turnte mich nun an ihr so weit empor, als es möglich war.
Das frische, volle Laub der Krone verbarg mich so vollständig, daß ich von unten gar nicht bemerkt werden konnte; vor meinem Blick aber lag die Gegend so klar und offen da, daß ich alle lichten Grasstellen und das Gipfelmeer des Waldes weithin übersehen konnte. Ich machte es mir so bequem wie möglich und hielt
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