03 - Winnetou III
einförmige Wüste; kein stiller Bir lockt mit seiner belebenden Feuchtigkeit eine kleine Oase hervor; sogar der durch den Steppencharakter vermittelte Übergang von den reichbewaldeten Berggebieten zur leblosen Wildnis fehlt gänzlich, und der Tod tritt dem Auge allüberall unverhüllt in seiner fürchterlichsten Gestalt entgegen. Nur hier und da steht – man weiß nicht, durch welche Kraft hervorgerufen und erhalten – ein einsamer, lederartiger Mezquite-Strauch, gleichsam zum Hohn für den nach einem grünen Punkt sich sehnenden Blick, und ebenso erstaunt trifft man zuweilen auf eine wilde Kaktusart, die entweder wenige einzelne Exemplare oder Gruppen bildet, oder auch weite, ausgedehnte Flächen eng bestandet, ohne daß man sich ihr Dasein enträtseln und erklären kann. Aber weder der Mezquite noch der Kaktus gibt einen erfreulichen, wohltuenden Anblick; graubraun ist ihre Farbe und unschön ihre Gestalt; sie werden von dickem Sandstaub bedeckt, und wehe dem Pferd, dessen Reiter so unvorsichtig ist, es in eine solche Kaktusoase zu lenken! Es wird von den haarscharfen, stahlharten Stacheln so an den Füßen verwundet, daß es nie wieder gehen lernt. Der Reiter muß es sofort aufgeben, und es kommt sich elend um, wenn er es nicht tötet.
Trotz aller Schrecken, welche diese Wüste bietet, hat es doch der Mensch gewagt, sie zu betreten. Es führen Straßen durch sie, hinauf nach Santa Fé und Fort Union, hinüber nach dem Paso del Norte und hinunter in die wohlbewässerten Prärien und Wälder von Texas. Aber bei diesem Wort ‚Straße‘ darf man nicht an den Wegebau denken, welcher in zivilisierten Ländern diese Bezeichnung trägt. Wohl reitet ein einsamer Jäger oder Rastreador, eine Gesellschaft kühner Wagehälse oder ein zweideutiger Pulk Indianer in schnellster Eile durch die Wüste; wohl knarrt ein schneckengleich langsamer Ochsenkarrenzug durch die trostlose Einöde, aber einen Weg gibt es nicht, nicht einmal jene viertelstundenbreit auseinandergehenden Gleise, wie man sie in der Lüneburger Heide oder in dem Sand Brandenburgs findet; jeder reitet oder fährt seine eigene Bahn, so lange ihm der Boden noch einige wenige Merkmale bietet, an denen er erkennen kann, daß er überhaupt sich noch in der richtigen Richtung befindet. Aber diese Merkmale hören nach und nach selbst für das geübteste Auge auf, und von da an hat man die Maßregel getroffen, diese Richtung mittels Pfählen zu bezeichnen, welche von Zeit zu Zeit in den Boden gesteckt worden sind.
Dennoch aber fordert die Wüste ihre Opfer, die, ihre Größenverhältnisse in Betracht gezogen, viel zahlreicher und auch schrecklicher sind, als diejenigen, welche die Sahara Afrikas und die Schamo Hochasiens als furchtbaren Tribut entgegennehmen. Menschenleichen, Tierkadaver, Sattelfragmente, Wagenreste und andere schauerliche Überbleibsel liegen am und im Weg und erzählen stumme Geschichten, die zwar das Ohr nicht hören, aber das Auge desto deutlicher bemerken kann. Und darüber schweben hoch in den Lüften die Aasgeier, die jeder lebenden Bewegung, die sich unten zu erkennen gibt, mit beängstigender Ausdauer folgen, als wüßten sie, daß ihnen ihre sichere Beute nicht entgehen kann.
Und wie heißt die Wüste? Die Bewohner der umliegenden Territorien geben ihr verschiedene, bald englische, bald französische oder spanische Namen; weithin aber ist sie wegen der eingerammten Pfähle, welche den Weg bezeichnen sollen, als Llano estaccado (Estaccado heißt ‚abgesteckt‘) bekannt. – – –
In der Richtung von den Zuflüssen des Red River her nach der Sierra Rianca zu, ritten zwei Männer, deren Pferde fürchterlich ermüdet schienen. Die armen Tiere waren beinahe bis auf die Knochen abgemagert, sahen struppig aus wie ein Vogel, der am nächsten Morgen tot im Käfig liegen wird, und schleppten ihre kraftlosen Glieder, bei jedem Schritt stolpernd, so langsam fort, daß man jeden Augenblick ihr Zusammenbrechen erwarten konnte. Ihre Augen waren blutig rot unterlaufen; die Zunge hing ihnen trocken zwischen den Lippen hervor, die ihre Spannkraft vollständig verloren hatten, und trotz der sengenden Tageshitze war an ihrem ganzen Körper kein einziger Tropfen Schweiß und an dem Gebiß kein winziges Flöckchen Schaum zu bemerken, ein Zeichen, daß außer dem von der Wüstenglut eingedickten Blut nicht eine Spur von Feuchtigkeit mehr in dem Körper zu finden sei.
Diese beiden Pferde waren die Tony und mein Mustang, und folglich konnten die
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