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03 - Winnetou III

03 - Winnetou III

Titel: 03 - Winnetou III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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andere Posten kam um das Zelt herum auf mich zu.
    „Der weiße Mann gehe hinein!“ befahl er mir barsch.
    Auch er hielt mir die Spitze seiner Lanze so dicht vor das Gesicht, daß ich der Versuchung nicht widerstehen konnte, das so wohlgelungene Experiment zu wiederholen; im nächsten Augenblick lag er genau da, wo der andere gelegen hatte, und seine Lanze flog in das Zelt, wie die vorige. Das schien den beiden zuviel; sie stießen einen Ruf aus, infolgedessen das ganze Lager in Alarm geriet.
    Gerade meiner Hütte gegenüber lag eine bedeutend größere, vor deren Tür drei Schilde angelehnt waren. Auf den Ruf der Wächter wurden die Vorhänge zurückgeschlagen, und ein dunkler Mädchenkopf erschien, um nach der Ursache des Lärmes auszuschauen; zwei schwarze, feurige Augen ruhten auf mir, und dann verschwand das Köpfchen wieder. Zwei Sekunden später aber traten die vier Häuptlinge hervor und auf uns zu. Auf einen gebieterischen Wink To-kei-chuns wichen die Wächter zurück.
    „Was tut das Bleichgesicht hier vor der Hütte?“
    „Ich höre wohl nicht recht? Mein roter Bruder will wohl fragen, was die zwei roten Krieger hier vor meiner Hütte tun!“
    „Sie merken auf, daß dem Bleichgesicht nichts Übles geschehe, und darum soll der weiße Mann in seiner Hütte bleiben.“
    „Hat To-kei-chun so schlimme Männer unter seinen Kriegern, oder gilt sein Befehl so wenig, daß er seinen Gast mit Wächtern schützen muß? Old Shatterhand braucht keinen Wächter, denn seine Faust wird jeden Kopf zerschmettern, der Böses sinnt und Lügen denkt. Meine roten Brüder können ruhig wieder in ihr Wigwam treten; ich werde mir ihr Dorf ansehen und dann kommen, um mit ihnen zu reden.“
    Ich trat in die Hütte zurück, um meine Schießgewehre, die ich natürlich nicht zurücklassen durfte, mit mir zu nehmen; als ich aber wieder ins Freie wollte, starrte mir wohl ein Dutzend Lanzen entgegen. Also gefangen! Sollte ich mich wehren oder nicht? Ich ging zur hinteren Seite des Zeltes, holte mit dem Tomahawk aus und schlug durch das harte Leder ein Loch, durch welches ich das Zelt verlassen konnte. Als ich jetzt hinten erschien, während sie vorn Wache hielten, bekam ich zunächst außerordentlich verdutzte Gesichter zu sehen, und dann erhob sich ein Geschrei, als ob sich hundert Bären von ihren Ketten losgerissen hätten. Die Häuptlinge waren wieder in ihr Zelt zurückgekehrt; jetzt kamen sie abermals hervor und zwar mit einer Eile, die sich sehr wenig mit ihrer gewöhnlichen Würde vereinbaren ließ. Sie drängten sich durch die Krieger hindurch, und es schien, als ob sie mich fassen wollten.
    Mich mit den Waffen zur Wehr setzen, das ging nicht, denn ich wäre verloren gewesen, und die Gefährten mit mir; ich riß also mein Fernrohr aus der Tasche, zog es in zwei Teilen auseinander und hielt ihnen dieselben mit drohender Miene entgegen.
    „Halt, sonst sind alle Söhne der Comanchen verloren!“
    Sie prallten wirklich zurück. Sie kannten wohl diese Art von Instrument noch gar nicht; hatten sie aber wirklich schon eines gesehen, so konnten sie ja nicht wissen, was für unheilvolle Wirkungen außerdem mit seinem Gebrauch verbunden waren.
    „Was will der weiße Mann tun?“ fragte To-kei-chun. „Warum bleibt er nicht in seinem Wigwam?“
    „Old Shatterhand ist ein großer Medizinmann unter den Bleichgesichtern“, antwortete ich; „er wird den roten Männern zeigen, daß er alle Seelen der Comanchen töten kann.“
    Ich steckte das Fernrohr wieder zu mir und nahm den Henrystutzen vor.
    „Die roten Männer mögen sehen den Pfahl dort vor dem Zelt!“
    Ich deutete auf eine Stange, welche vor einem der entfernteren Zelte stand. Dann erhob ich das Gewehr und schoß. Der Pfahl war oben an seiner Spitze durchlöchert, und ein Gemurmel des Beifalls ließ sich hören. Der Wilde erkennt Mut und Geschicklichkeit selbst bei seinen ärgsten Feinden an. Beim zweiten Schuß drang die Kugel einen halben Zoll unter der ersten ein; beim nächsten Schuß schlug die dritte in gleicher Entfernung unter der zweiten ein; aber Beifall ließ sich nicht hören, denn die Indsmen wußten nur von Doppelgewehren und hatten keine Ahnung von der Beschaffenheit eines Henrystutzens. Beim vierten Schuß stand die ganze Menge regungslos; beim sechsten und siebenten wurde das Erstaunen noch größer, dann ging dieses Erstaunen in eine Bestürzung über, die sich auf den Gesichtern aller malte. So versandte ich zwanzig Kugeln, eine jede einen halben Zoll unter

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