030 - Die mordende Anakonda

hier ist
mehr als eine Hütte. Zehn Leute könnten unterkommen, ohne dass einer den
anderen stören würde. – Ich habe im ganzen Haus meine Bilder aufgehängt. Aber
solange Sie hier sind, Miss, werde ich mich mit dem untersten Stock begnügen.
Sie haben die obere Etage – die aus sieben Zimmern besteht – ganz für sich
allein. Ist das nichts?«
    Noch bevor Sioban antworten konnte, fuhr Henrik van Heyken fort: »Sie
können sich einstweilen meine Bilder ansehen. Sie sind die erste Person, die
sie zu sehen bekommt. Ihre Meinung interessiert mich ...«
    »Mister Beam hat sie noch nicht gesehen?«
    »Er war hier, zwei Tage nach meiner Ankunft. Er lässt sich oft drei, vier
Wochen nicht sehen, heißt es. Dann taucht er wieder einmal kurz auf, um nach
dem Rechten zu sehen. Ich nehme stark an, dass er heute oder morgen kommt. Dann
können Sie ja mit ihm sprechen. In der Zwischenzeit werde ich Ihnen mit Rat und
Tat zur Seite stehen, falls Sie es wünschen sollten.«
    Mit diesen Worten drückte er die Tür weit auf. Er wartete, bis Sioban vor
ihm in das dämmrige Haus ging. Es roch modrig und alt.
     
    ●
     
    Im ersten Augenblick war Joe Rings davon überzeugt, dass er den rechten Weg
gefunden hätte. Doch dann musste er sich erneut geschlagen geben. Zahlreiche
kleine Lichtungen waren vorhanden, und er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern,
wo er sich mit Patrick aufgehalten hatte.
    »Hier war es ...«, sagte Joe das erste Mal, als McBratt ihn auf eine
Lichtung führte, die ein wenig hügelan führte. Aber dann musste er zugeben,
dass es hier nicht gewesen sein konnte.
    »Hier war es ...«, sagte er, als McBratt ihm die zweite Lichtung in
unmittelbarer Nähe des alten Waldwirtshauses zeigte. Aber auch hier fanden sich
nicht die geringsten Anzeichen.
    »Wie lange wart ihr schon unterwegs?«, wollte der Wirt wissen. Obwohl es
kühl war, war er durch das viele Laufen ins Schwitzen geraten.
    »Das kann ich nicht mehr sagen. Vielleicht zwanzig Minuten, vielleicht auch
eine halbe Stunde. Wir sind oft stehengeblieben ...« Joe Rings zuckte die
Achseln. »Die Wege sind hier alle gleich ...«
    »Vielleicht seid ihr gar keinen Weg gelaufen. Es war neblig. Ein freier
Raum im Dickicht kann bei schlechten Sichtverhältnissen wie ein Weg wirken ...«
McBratt hielt sein Jagdgewehr auf dem angewinkelten Unterarm.
    Sie passierten einen freien Raum zwischen dem Dickicht und streiften die
regennassen Blätter.
    Dann dehnte sich wieder eine Lichtung vor ihnen aus. Joe Rings begann zu
suchen. Sein erstes Augenmerk galt eventuellen Fußspuren und vor allen Dingen
seiner Taschenlampe, die er in der Aufregung der überstürzten Flucht verloren
hatte. Wo sich die Taschenlampe befand, da ...
    Rings stutzte plötzlich. Er entdeckte niedergetrampeltes Gras und bückte
sich.
    »McBratt«, flüsterte er erregt und gab dem abseits stehenden Wirt zu
verstehen, dass er etwas mitzuteilen hätte.
    »Sieh dir das an!«
    Der Gasthausbesitzer kam mit schweren Schritten näher. Der vom Regen
vollgesogene Boden ächzte unter seinen Füßen. »Was ist, Joe?«
    »Hier!« Rings zeigte ihm einen deutlichen Fußabdruck. Der Grasboden war
aufgerissen – und zwei Schritte weiter links aufgewühlte Erde. Es sah so aus, als
wäre jemand gefallen, der sich sodann hastig und übereilt wieder aufgerappelt
hatte ...
    Joe Rings konnte seine Nervosität nicht verbergen. Seine Handinnenflächen
wurden plötzlich feucht. Er entfernte sich von McBratt und ging ein wenig auf
die hügelanstehenden Baumreihen zu.
    »Hier irgendwo muss das Loch im Boden gewesen sein, McBratt«, flüsterte er
wie im Selbstgespräch vor sich hin. Er hielt den Dolch fest in der Hand. Weiß
traten die Knöchel des Iren hervor.
    Schritt für Schritt suchte Joe Rings den Boden ab. Der Ire untersuchte
jeden Grasbüschel, tastete in jede Bodenmulde, um sich zu vergewissern, dass es
wirklich nur eine Mulde und kein tieferes Loch war.
    Plötzlich zuckte Joe zusammen. Er schluckte und hielt den Atem an. Auf der
dämmrigen Lichtung schimmerte etwas im dichten Gras. Der Ire griff danach.
Seine Taschenlampe! Die Birne glühte noch schwach. Die Batterien waren fast am
Ende.
    »McBratt! McBratt!« Joe Rings' Stimme überschlug sich. Blitzschnell riss er
die Taschenlampe vom Boden hoch. »Wir sind richtig. Hier war es, McBratt!« Er
warf den Kopf herum. » McBratt ?« Joe
Rings fühlte, wie es ihm eiskalt über den Rücken lief. Weit und breit keine
Spur von dem Wirt. Joe Rings war allein auf der