0301 - Druiden-Rache
Rückzieher machen.
Ich spürte nichts mehr. Merkte keinen Wind, roch nicht das Gras und kam mir vor wie auf einer einsamen Insel hockend, wo es nur uns beide noch gab.
»Ja…«, ächzte er plötzlich. »Ich nehme den Zauber zurück.«
»Warum nicht gleich so?« sagte ich, behielt aber das Kreuz in seiner Lage und schielte nur zur Seite, wo ich Mandra Korab sah, der sich weiterhin nicht rührte, dessen Gestalt sich allerdings festigte, wobei auch das grüne Leuchten aus seinem Körper verschwand.
In den nächsten beiden Sekunden war unser Freund wieder normal.
Wie er reagierte, bekam ich nicht mit, denn ich stellte meine zweite Bedingung.
»Den Dolch!«
»Neiiinn, ich…«
»Gib ihn her!«
Da griff Suko ein. Bevor sich der alte Druide versah, hatte ihm der Chinese die Waffe aus der Hand gewunden, und nun war Guywano so gut wie waffenlos. Dennoch gab er nicht auf.
»Ich werde sie aus den Gräbern holen!« brüllte er. »Aibon läßt mich nicht im Stich. Es hat mich geschickt, es…«
»Willst du sterben?«
Er verstummte.
Dafür vernahm ich nun Mandras Stimme. »Ich werde ihn töten!«
Während dieser Worte fiel er neben mir auf die Knie, hob die Hand mit dem Dolch, doch mein »Nein, nicht!« stoppte ihn.
Für einen Moment schien die Zeit einzufrieren. Bis Mandra mich erstaunt anschaute und flüsternd fragte:
»Du willst ihn am Leben lassen, John Sinclair?«
»Das will ich.«
»Dann nenne mir den Grund.«
»Er heißt Aibon«, erklärte ich und fügte nichts mehr hinzu, denn ich konnte es mir nicht leisten, diesen geheimnisvollen Kontinent mit all seinen noch vorhandenen Rätseln als Feind zu besitzen.
Suko legte seine Hand auf Mandras Schulter. »Laß ihn«, sagte der Chinese, »John hat seine Gründe.«
Da war Mandra einverstanden. Er hatte den zweiten Dolch zurückbekommen, mehr wollte er nicht.
Ich schaute Guywano ins Gesicht. »Du hast es gehört«, sagte ich.
»Wir lassen dich laufen, aber hüte dich, noch einmal als Feind unseren Weg zu kreuzen.«
Als ich das Kreuz weggenommen hatte, stand er schweigend auf, schaute uns aus grüngrauen Augen an, drehte sich um und ging schweigend davon. Der alte Druide schritt den Hang an der rückwärtigen Seite hinab, wurde plötzlich kleiner.
Der Friedhof schluckte ihn.
Wir atmeten tief durch. Das hatten wir geschafft. Stolz hielt Mandra seinen zweiten Dolch in der Hand.
»Nur noch fünf«, sagte er.
»Und wo finden wir die?«
Er hob die Schultern. Auch Suko und ich hätten keine andere Antwort geben können.
Später, als wieder alles normal war und nichts darauf hinwies, was sich unter der Erde verbarg, fragte Suko mich: »Bereust du es eigentlich, Guywano die Freiheit geschenkt zu haben?«
»Nein, auf keinen Fall. Wer weiß, wozu es noch einmal gut sein wird. Es ist besser, wenn wir einige Pluspunkte in Aibon haben…«
ENDE des Zweiteilers
[1] Siehe John Sinclair Nr. 300 »Sieben Dolche für den Teufel«
[2] Siehe John Sinclair Nr. 196 »Die Mörderklaue«
Weitere Kostenlose Bücher