0303 - Auf ihn wartet der Sarg
rissen die Hüte vom Kopf.
»Bitte, kommen Sie doch näher.« Sie trat zur Seite. Ihre Stimme war freundlich, aber kühl.
Wir kamen in ein luxuriös eingerichtetes Appartement. Carmen Moreno bot uns Sessel an, in denen wir fast versanken.
Sie setzte sich auf einen seidenen Diwan und schlug die Beine übereinander.
»Miss Moreno, wir kommen wegen der Mordsache Piconi«, begann ich.
Sie nickte. »Ich bin gestern von der Mordkommission vernommen worden.«
»Dann wissen Sie also genau Bescheid?«
»Ja. Und ich glaube nicht, dass Gino Piconi den Mord begangen hat, obwohl er auf Breen wegen seiner Frau eifersüchtig war.«
»Uns interessiert etwas anderes, Miss Moreno. Und ich hoffe, dass Sie uns darüber Auskunft geben können.«
»Bitte, fragen Sie.«
»Wie viel Vermögen hinterlässt Ihr verstorbener Vater?«
»Ungefähr zwei Millionen Dollar in bar. Außerdem die Fleischfabriken.«
»Außer Piconi sind Sie die einzige Erbin?«
»O nein. Es gibt noch drei Erben. Nämlich meines Vaters Neffen Frank Ellery und Joe Gailivan. Außerdem meinen Bruder Tom. Aber der kann sein Erbe nicht antreten. Frank und Joes Eltern leben übrigens nicht mehr. Alle vier kamen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.«
»Warum kann Ihr Bruder sein Erbe nicht antreten?«
»Weil er seit drei Jahren in Brasilien verschollen ist. Er unternahm eine Expedition in das Amazonasgebiet und kehrte nicht zurück. Es gibt keine Spur mehr von ihm. Es ist sicherlich umgekommen. Aber mein Vater wollte das nicht wahrhaben. Er klammerte sich an die Idee, dass Tom eines Tages zurückkehren werde. Und deshalb bedachte er ihn auch in seinem Testament. Toms Erbteil ist genauso groß wie meines. Das Geld soll auf einer Bank hinterlegt werden, bis Tom ersieh abholt. Für uns, also für die anderen Erben, ist Toms Geld gesperrt. Es war eine fixe Idee von meinem Vater. Aber ich respektiere sie natürlich und werde nicht gerichtlich dagegen vorgehen.«
»Ich will Ihnen reinen Wein einschenken, Miss Moreno«, sagte ich. »Wir glauben, dass der Mörder von Sam Breen nicht Piconi ist, sondern ein anderer, der den Friseur ausschalten wollte. Was uns fehlt, ist das Motiv. Es kann mit der Erbschaft Zusammenhängen, dachten wir anfangs. Aber…«
»Natürlich kann es mit der Erbschaft Zusammenhängen, meine Herren. Und ich wüsste ein sehr einleuchtendes Motiv.«
»Und das wäre…«
»Mein Vater hat in seinem Testament verfügt, dass nur die Personen in den Genuss des Erbes kommen, die niemals mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Das heißt also… Sollte Gino Piconi, der mich vor sieben Jahren vor dem Ertrinken gerettet hat, wegen Mordes‘verurteilt werden, so erhält er keinen Cent. Stattdessen werden die 700 000 Dollar unter den anderen Erben gleichmäßig aufgeteilt.«
Ich pfiff durch die Zähne. »Donnerwetter. Das gibt der Sache allerdings ein völlig neues Gesicht.«
»Wussten Sie davon nichts?«, erkundigte sich Carmen Moreno. »Ich habe das gestern bei meiner Vernehmung ausgesagt.«
»Wir sind noch nicht wieder mit unseren Kollegen zusammengekommen«, erklärte Phil.
Miss Moreno stand auf und ging zu einer großen Hausbar aus Teakholz. »Darf ich Ihnen etwas anbieten?«
Wir nahmen einen Whisky. Auch die Frau bereitete sich einen Drink.
»Können Sie mir etwas über Frank Ellery und Joe Gailivan sagen?«, fragte ich.
Sie runzelte die Stirn.
»Frank Ellery ist ungefähr dreißig, wohnt in Los Angeles, hat Schulden wie Sand am Meer, führt das Dasein eines Playboys und wechselt die Freundinnen wie andere das Hemd. Ich habe keine Ahnung, wovon er lebt.« Sie machte eine Pause und schüttelte das Whiskyglas. Leise klirrten die Eiswürfel. »Joe Gailivan ist im gleichen Alter wie Frank, lebt in St. Louis und arbeitet im Büro eines Grundstücksmaklers. Soviel ich weiß, ist das ein fauler Job. Mit Joe ist nicht viel los.«
»Kennen die beiden den Friseur Piconi?«
»Ja. Mein Vater veranstaltete vor zwei Jahren ein großes Familientreffen in Chicago. Auch Piconi war eingeladen. Bei dieser Gelegenheit lernte er Joe und Frank kennen.«
»Die beiden wissen von seiner Erbschaft?«
»Natürlich. Die beiden wissen von allem, denn sie waren bis gestern Abend hier in New York.«
»Was? Hier in New York?«
»Ja. Sie wohnten im Hotel Taft. Deshalb war auch ich dort abgestiegen. Nach der Abreise der beiden bin ich umgezogen. Das Taft ist mir zu schäbig.«
»Was wollten die beiden hier?«
»Mich sprechen. Wir wollten uns über die Erbschaft
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