0303 - Die Satans-Zwerge von Sylt
Hotel, hat die etwas mit dir zu tun?«
»Helga, meinen Sie?«
»Ja, richtig.«
»Das ist meine Cousine. Sie ist nur ein paar Jahre älter. Zehn, glaube ich.«
»Okay, das war alles.«
Suko stieß prustend die Luft aus. »Was hältst du von der Sache?« fragte er mich.
Ich hob die Schultern. »Ein wenig seltsam ist sie schon.«
Suko lachte. »Ein wenig? Ich finde sie reichlich mysteriös. Tut mir leid, John.«
»Siehst du denn eine Verbindung zu Mandras Dolch?«
»Das noch nicht. Aber denk an Neapel. Da sind wir auch ganz zum Schluß drauf gestoßen.«
Da hatte mein Freund recht. Dieser Jan Behnfeld machte mir einen sehr sympathischen Eindruck. Er stammte von der Insel und schien sich auszukennen. Wenn wir eine Anlaufstation benötigten, konnten wir uns sicherlich an ihn wenden.
Noch lief alles normal ab. Es redete auch keiner mehr. Ich sah nur noch vier Fahnenschwenker, die ihre Tücher über das offene Grab hielten.
Wahrscheinlich wurde der Sarg jetzt in die Tiefe gelassen. Ich war nicht erpicht darauf, dieser Szene zuzuschauen und wandte mich deshalb ab.
»Sollen wir gehen?« fragte Suko.
»Noch nicht.«
»Was hält dich noch hier?«
Ich grinste schief. »Mein Gefühl.«
»Na, dann fühl mal.«
In die Trauergemeinde geriet Bewegung. Man wünschte den engsten Verwandten das Beileid und warf Blumen oder Erde auf den Sarg. Der Himmel hatte sich noch mehr verdunkelt. Auch er schien Trauer zu tragen. Von der See her zogen wahre Wolkengebirge über den Himmel.
Meist hellgrau, aber mit einem dunklen Kern.
Suko schaute besorgt nach oben. »Ein kalter Guß wäre das letzte, was ich jetzt noch vertragen könnte.«
»Im Winter mußt du hier mit allem rechnen. In London ist es doch nicht anders.«
»Da kann ich mich unterstellen.«
Schrill und unnatürlich hoch durchbrach plötzlich der Schrei die Ruhe der Beerdigung. Alle hörten ihn, auch wir.
Mein Kopf fuhr herum. Gleichzeitig stellte ich mich auf die Zehenspitzen, um nachzusehen.
Der Schrei mußte dort aufgeklungen sein, wo auch das Grab lag.
Ich sah auch den Grund.
Über dem Grab schwebte eine pechschwarze Wolke, die das Gesicht eines Menschen umhüllte.
Und ich vernahm noch eine schrille Stimme, als sie rief: »Das ist der Tote! Das ist Lars Lengerich…«
Man sagt den Norddeutschen nach, daß sie so leicht nicht aus der Ruhe zu bringen sind. Hier aber erlebten Suko und ich das glatte Gegenteil.
Im Nu kam es zur Panik.
Plötzlich riß die Reihe der Trauergemeinde regelrecht auf. Jeder wollte vom Grab wegrennen, und ein jeder nahm einen anderen Weg, so daß sich die Menschen gegenseitig ins Gehege kamen.
Wir standen zwar relativ abseits, wurden dennoch erwischt, denn zahlreiche Menschen liefen genau in unsere Richtung, so daß es uns zunächst einmal unmöglich war, an das Grab und an die darüber schwebende Wolke zu gelangen.
Niemand nahm mehr Rücksicht auf die gepflegten Gräber, die Trauergäste wollten so rasch wie möglich verschwinden. Und sie behinderten sich gegenseitig.
An uns huschten die vom Weinen geröteten Gesichter vorbei.
Niemand konnte sich erklären, was geschehen war, selbst der Pfarrer nahm Reißaus. Er war schon älter und wurde von einem Mann im schwarzen Mantel gestützt. Als beide an uns vorbeiliefen, verlor der Mann seinen Zylinder, er achtete jedoch nicht darauf und lief weiter, wobei er den steifen Hut mit der Fußspitze noch vor sich herkickte.
Endlich hatten wir freie Bahn.
Die nutzten wir auch aus. Suko startete ein wenig früher als ich.
Über die Gräber sprangen wir trotzdem und erreichten sehr bald die Holzbohlen, die den direkten Zugang zum Grab markierten.
Nun dröhnten unsere Schritte. Zudem waren die Bohlen feucht, wir mußten Acht geben, daß wir nicht ausrutschten. Rechts und links befanden sich Lehmhügel, die Kränze waren verrutscht, die langen Schleifen mit Dreck beschmiert.
Suko blieb auch als erster stehen. Ich verhielt ebenfalls meinen Schritt und schaute die Wolke an.
Sie war pechschwarz, und sie stieg aus dem Grab.
Drang sie auch aus dem Sarg?
Ich senkte meinen Blick und konnte trotz allem den in der Grube stehenden Sarg erkennen. Sogar die Stricke befanden sich noch dort. Sie waren wieder zurückgefallen und lagen jetzt auf dem Deckel.
Dicht über dem Sarg war die Wolke nicht so schwarz wie in der Höhe.
Deshalb konnten wir sehen, daß sie aus den Ritzen zwischen Unterteil und Deckel drang, obwohl beides eigentlich fest aufeinander liegen mußte. Dennoch fand die Wolke ihren
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