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Mutter macht Geschichten

Titel: Mutter macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Troy Una
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ERSTES KAPITEL
    Der Zeitungsartikel war wie ein Schuß aus dem Hinterhalt, aber jetzt wußten James und seine Schwestern wenigstens, wo der Feind stand. Der Schock zwang sie zu handeln – und zwar keine Sekunde zu früh, wie sie sich eingestehen mußten. Sie hatten eben nicht gut genug auf ihre Mutter aufgepaßt.
    James entdeckte die beunruhigende Kurznachricht als erster der Familie. Sie traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube. Obwohl erst vierundzwanzig, war er schon ein Mann mit eingefleischten Gewohnheiten. So las er unter der Woche die Zeitung nie schon beim Frühstück, sondern sparte sie auf, um sich mit ihr die Fahrt von Stanley Gardens nach London zu verkürzen.
    So sagte er auch an diesem Morgen wie immer seiner Frau mit einem Kuß Aufwiedersehen, tätschelte den auf hohen Kinderstühlen thronenden Zwillingen, die gerade ihren Porridge mampften, die Köpfchen und trat in den freundlichen Juli-Sonnenschein hinaus, ohne zu ahnen, daß er unter seinem Arm die Gefährdung seines Seelenfriedens trug. Später dachte er voller Ingrimm daran, daß er aus schierer Lebenslust sogar eine kleine Melodie auf dem Weg zur U-Bahn vor sich hingesummt hatte. Der Zug fuhr gerade ein, als er den Bahnsteig betrat. Er war zum Glück nicht überfüllt. James setzte sich auf einen freien Platz und öffnete die Zeitung. Ganz unten auf der Seite sprang ihm aus einer Kurzmeldung der Name seiner Mutter in die Augen – sein Atem stockte.
    Den ganzen Vormittag fiel es ihm schwer, sich so ausschließlich, wie er es für seine Pflicht hielt, mit den Problemen des Londoner Bezirksamts zu beschäftigen, für deren Lösung er schließlich bezahlt wurde. In der Kaffeepause rief er seine Schwestern an. Dina arbeitete in einem Warenhaus und teilte mit zwei Mädchen eine Wohnung in der Nähe ihrer Arbeitsstätte. Sie stöhnte hörbar, als James ihr vorschlug, sich an einem für alle Browns günstig gelegenen Ort zum Mittagessen zu treffen, um eine gewisse Angelegenheit, von der er Kenntnis erhalten hätte, zu besprechen.
    »Was tust du denn so geheimnisvoll, du kannst einem ja direkt 'nen Schreck einjagen.«
    »Ich spreche aus dem Büro.«
    Dina kicherte.
    »Du liebe Güte, da muß allerdings was ganz Grauenvolles passiert sein, daß du dich dazu aufschwingst.«
    James versuchte, ruhig zu bleiben.
    »Ich habe selbstverständlich um Erlaubnis gefragt. Und bitte, nimm dich zusammen! Es ist unbedingt notwendig, daß wir über dieses … dieses Problem, das da plötzlich aufgetaucht ist, miteinander reden.«
    »Ich mach' dir einen Vorschlag«, sagte Dina munter. »Ich verbringe dieses Wochenende sowieso bei Mammi. Hat das Ganze, was immer es auch sein mag, nicht bis dahin Zeit?«
    James faßte sich noch immer in Geduld: »Es liegt doch wohl auf der Hand, daß es für uns drei unmöglich ist, in Mutters Haus eine private Unterhaltung zu führen.«
    »Willst du damit wirklich sagen, daß Mammi nichts davon wissen darf?«
    James schwieg.
    Dina fragte besorgt: »Mutter ist doch nicht etwa krank?«
    »Soviel ich weiß, erfreut sie sich bester Gesundheit.«
    »Gott sei Dank, aber ich seh' schon, daß ich Eric trotzdem zum Mittagessen absagen muß«, seufzte Dina bekümmert. »Aber wehe dir, wenn es nicht wirklich was enorm Wichtiges ist.«
    Jill zeigte sich genauso widerspenstig: »Ich hab' heute abend nichts vor und fahre direkt nach Hause. Warum kommt ihr beide, du und Dina, nicht auch dorthin? Dann können wir uns ja ausquatschen.« Unnötigerweise fügte sie noch hinzu: »Und selbst wenn du vom Büro aus redest, sehe ich nicht ein, warum du nicht mit der Sprache herausrückst. Wenn deine Kollegen nichts weiter zu tun haben, als rumzustehen und die Ohren zu spitzen, dann wird es höchste Zeit, daß man ihre Gehälter kürzt, um den Steuerzahlern Geld zu sparen.«
    James riß der Geduldsfaden.
    »Muß ich dir wirklich erst umständlich auseinandersetzen, warum zu Hause nicht der geeignete Ort ist?«
    »James … O Gott … was meinst du? Mammi war doch heute früh, als ich wegging, ganz in Ordnung.«
    »Und ist es zweifellos immer noch. Hast du die ›Mail‹ heute früh gelesen?«
    »Wir bekommen sie zwar jeden Morgen, aber ich habe nicht reingeschaut. Warum fragst du?«
    »Dann kauf dir eine und lies sie!« rief James wutschnaubend und hängte ein.
    Die ominöse Zeitung lag jetzt zwischen ihnen auf dem Tisch des Restaurants. James schlug sie auf und fing mit einer wahren Leidensmiene an zu lesen:
    »DAS LOS DER POLIZISTEN IST EIN SCHWERES.

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