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031 - Der Puppenmacher

031 - Der Puppenmacher

Titel: 031 - Der Puppenmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Vlcek
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hin. »Ich bin Lady Hurst.«
    »Sehr angenehm«, sagte Chapman und stellte sich und Dorian diesen als Mr. Holborn vor.
    Lady Hurst nahm es ziemlich gelassen auf, daß er ihre Hand nicht küßte, sondern nur kräftig schüttelte.
    »Ich will ja nicht neugierig sein«, sagte sie mit kokettem Lächeln, »aber Sie kommen sicher wegen der Lebensversicherung, die Scotty für seinen bedauernswerten Sohn abschließen mochte.« Chapman räusperte sich diskret.
    »Wenn Sie ohnehin darüber informiert sind, brauche ich das wohl nicht zu leugnen. Ja, Lady Hurst, wir sind wegen der Lebensversicherung für Phillip Hayward hier.«
    Die alte Dame wandte sich Dorian zu. »Dann sind Sie wohl der Arzt, der die Untersuchung des armen Jungen vornehmen soll?«
    »Ja, so kann man wohl sagen«, gab Dorian zu und sagte dann interessiert: »Sie sprechen von Lord Haywards Sohn, als würde ihm Ihr ganzes Mitgefühl gehören, Lady Hurst. Steht es so schlecht um ihn?«
    »Ja, wissen Sie denn nicht …«
    »Mutter!« fuhr Henry Hurst dazwischen.
    »Oh!« machte Lady Hurst betroffen. »Habe ich etwas gesagt, was sich ungünstig auf den Versicherungsabschluß auswirken könnte?«
    »Wenn Philip Hayward leidend ist, dann könnte das schon eine Rolle spielen«, meinte Dorian.
    Lady Hurst lachte und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Etwas Ernstes ist es bestimmt nicht. Er hat in den letzten Tagen nur etwas kränklich aufgesehen, aber er besitzt einen gesunden Kern. Jawohl, einen gesunden Kern. Sie werden sich selbst davon überzeugen können.«
    »Das werde ich tun«, sagte Dorian.
    Lady Hurst nahm ihre Handarbeit wieder auf.
    »Das ist meine Lieblingsbeschäftigung«, erklärte sie augenzwinkernd. »Ich nähe, häkle und stricke Puppenkostüme.«
    »Für Henrys Puppen?« fragte Chapman scheinheilig und mußte dafür einen giftigen Blick des jungen Hurst einstecken.
    »Nein«, sagte Lady Hurst lachend. »Henry spielt schon längst nicht mehr mit Spielzeugpuppen. Dafür interessiert er sich für eine andere Art von Puppen.« Sie deutete mit den Händen üppige Formen an. Dann blickte sie Chapman prüfend in die Augen und sagte anzüglich: »Sie sehen mir ganz so aus, als würden Sie sich ebenfalls sehr intensiv mit jungen Püppchen beschäftigen. Habe ich recht, Mr. Chapman, daß Sie kein Kostverächter sind?«
    Chapman wurde der Kragen eng.
    »Nun.« begann er.
    Zu seiner Erleichterung wurde er einer Antwort enthoben, denn in diesem Augenblick erschien Lord Hayward.
    Er war mittelgroß, etwa ein Meter achtzig, fast mager und er hatte langes, wirres, bis in den Nacken reichendes schlohweißes Haar. Um seine Augen zuckte es nervös, als er seinen Blick über die Anwesenden wandern ließ.
    »Du hast Besuch, Scotty«, rief Lady Hurst, als sie ihn sah. »Ja, ich weiß«, sagte Lord Hayward und knetete nervös seine Hände.
    Er hielt den Blick gesenkt, um niemandem in die Augen sehen zu müssen. Mit einer fahrigen Bewegung in Chapmans Richtung fügte er hinzu: »Wollen Sie mir, bitte, in mein Arbeitszimmer folgen, meine Herren?«
    Lord Haywards Arbeitszimmer legte Zeugnis darüber ab, daß er in früheren Jahren viel durch asiatische Länder gereist war: Buddhafiguren auf den Schränken und auf dem Tisch, chinesische Drachenmasken an den Wänden, ein Schrumpfkopf polynesischer Kopfjäger und tausenderlei andere Souvenirs füllten den holz getäfelten Raum. In dieser erdrückenden Fülle von Erinnerungsstücken stach Dorian ein kleiner Bilderrahmen ins Auge, der in einem Regal stand. Er nahm ihn in die Hand und blickte auf das Foto eines etwa zehnjährigen Jungen, der ein schmales Gesicht hatte, große, ausdruckslose, Augen, die in unbekannte Fernen starrten, und einen vollen, sinnlichen Mund mit einem fein geschwungenen Amorbogen. Eigentlich hätte es viel eher das Bildnis eines Mädchens sein können, aber wegen des kurzen Haarschnitts und weil Lord Hayward einen Sohn und keine Tochter hatte, nahm er automatisch an, daß es sich um einen Jungen handelte.
    »Ist das …«
    »Phillip, ja«, vollendete Hayward den Satz. Er ging hinter seinen beladenen Schreibtisch und deutete auf die beiden bequemen Besuchersessel. »Nehmen Sie doch, bitte, Platz!«
    Er setzte sich ebenfalls und spielte nervös mit einem, wie ein malaysischer Dolch geformten Briefbeschwerer.
    Kaum daß Dorian und Chapman saßen, sprudelte es nur so über Haywards Lippen.
    »Sie sind also Dorian Hunter. Und Sie glauben, daß Sie meinem Sohn helfen können? Ich würde alles dafür geben,

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